Süddeutsche Zeitung

Profil:Mohammed Hamdan Daglo

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Warlord, Gangster, Massenmörder - und neuer starker Mann im Sudan

Von Bernd Dörries

Ein Kamelhändler hat in der arabischen Welt vielleicht nicht einen so halbseidenen Ruf wie der Gebrauchtwagenhändler im Abendland, ganz weit oben steht er aber auch nicht in der Rangliste der angesehensten Tätigkeiten. Schaut man in den Lebenslauf von Mohammed Hamdan Daglo, genannt "Hemeti", dann war die Tätigkeit des Kamelhändlers noch die moralisch einwandfreieste in den je nach Quelle 46 oder 47 Jahren seines Lebens, sieht man mal von einer Episode als Möbelverkäufer ab. Hemeti ist hauptberuflich Massenmörder, Genozidverbrecher, Vergewaltiger, Dieb, Lügner - und seit Sonntag auch der mächtigste Mann des Sudan.

Rein formal ist Hemeti nach dem Rücktritt von Ministerpräsident Abdalla Hamdok nicht an der Spitze des politischen Organigramms des gequälten 45-Millionen-Einwohner-Landes zu finden. Er firmiert lediglich als stellvertretender Vorsitzender des "Souveränen Rates", der nach dem Sturz von Langzeitdiktator Omar al-Baschir 2019 gegründet wurde, um das Land von einer Militärtyrannei in eine Demokratie zu transformieren. Mittlerweile weiß man, dass es sich eher um einen Wechsel von einem bestialischen Herrscher zum anderen handelt.

Seit drei Jahren demonstrieren Hunderttausende vor allem junge Sudanesen für ein anderes Land. Genau so lange kämpfen Hemeti und die Generäle darum, dass sich möglichst wenig ändert. Hunderte Menschen sind seit dem Sturz von al-Baschir ermordet worden. Viele von den sogenannten "Rapid Support Forces", den RSF, einer schwer bewaffneten Miliz unter dem Kommando von Hemeti, die immer dann ausschwärmt und demokratische Aktivisten ermordet, wenn sie zu viele werden, wenn sie zu laut fordern, Leute wie Hemeti vor Gericht zu stellen.

Der steht trotz all seiner gut dokumentierten Verbrechen noch auf keiner Sanktionsliste, im Gegenteil, er ist immer noch eine Art Partner der EU und der USA. Zwar wird er hin und wieder ein bisschen ermahnt, mehr aber auch nicht. Was auch daran liegt, dass Hemeti schlau mit seinen Karten spielt. "Wenn Sudan die Grenzen öffnet, hat die Welt ein großes Problem", sagte er neulich wieder und meinte damit die EU, die doch etwas mehr "Dankbarkeit" zeigen sollte, dass er mit seinen Mördertruppen der RSF die Flüchtlinge am Übertritt nach Libyen hindere, also eine der großen Migrationsrouten Richtung Europa dicht hält.

Die Region ist seit Jahrzehnten von Kriegen und Krisen geschüttelt, vom Konflikt zwischen der arabisch- und afrikanischstämmigen Bevölkerung um Mitsprache, Macht, Rohstoffe und Land. Hemeti hat sich die Lage zunutze gemacht, schloss sich den Janjaweed an, der arabischen Reitermiliz, die maßgeblich am Genozid in der Region Darfur beteiligt war, als Hunderttausende starben und Millionen in die Flucht getrieben wurden, wo vergewaltigt, gebrandschatzt und geplündert wurde. Er griff nach Goldminen und anderen Schätzen und war so erfolgreich, dass Dikator al-Baschir ihn und seine Truppen die Drecksarbeit verrichten ließ, wo immer es nötig war, und sie als eine Art Prätorianergarde zum Schutz vor Putschversuchen benutzte. Die RSF wurden von ihm hochgerüstet und zum Staat im Staate, zu einem Monster, über das er letztlich die Kontrolle verlor. Denn Hemeti ließ seinen einstigen Förderer 2019 fallen, beförderte ihn ins Gefängnis und sich selbst an die Macht.

Ganz oben muss er wohl gar nicht stehen, ihm geht es vor allem darum, in Ruhe seinen Reichtum zu vermehren, der inzwischen mehrere Hundert Millionen Dollar betragen soll. Er vermietet Luxuskarossen und verlieh lange Zeit auch Söldner für den Krieg der Emirate und der Saudis im Jemen. Wahrscheinlich wird er bald einen neuen Premier von seinen Gnaden ernennen und alle Proteste gegen sein Regime weiter niedermetzeln. Und die Europäer und die USA werden ihn ermahnen, es nicht allzu doll zu treiben.

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