Süddeutsche Zeitung

Flutkatastrophe:Anne Spiegel in Erklärungsnot

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Die grüne Familienministerin Anne Spiegel wollte vor dem Untersuchungsausschuss in Mainz die Zweifel an ihrem Krisenmanagement während des Ahr-Hochwassers zerstreuen. Das gelang ihr nur bedingt.

Kommentar von Gianna Niewel

In den vergangenen Tagen sind SMS aufgetaucht, die Anne Spiegel geschickt und bekommen hat, und keine der Nachrichten wirft ein gutes Licht auf sie. Sie legen nahe, dass Spiegel sich nach der Flutkatastrophe an der Ahr 2021 - damals war sie Umweltministerin in Mainz - vor allem um ihr Ansehen sorgte. "Das Blame-Game könnte sofort losgehen, wir brauchen ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben", schrieb sie am Tag nach der Flut an ihren Pressesprecher.

Am späten Freitagabend wurde die heutige Bundesfamilienministerin (Grüne) nun vor dem Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags gehört und natürlich versuchte sie, sich zu verteidigen. Aber das gelang ihr nur bedingt.

In den Tagen nach der Flut, sagte Spiegel, habe sie eine Vielzahl an Mails, Threema-Nachrichten, SMS geschrieben, die zitierten "stellten nur einen Ausschnitt" dar. Das ist sicher richtig - aber es macht sie nicht weniger unglücklich. Zumal ihr kurze Zeit später ein Mitarbeiter schrieb: "Was wir jetzt brauchen, ist wirklich ein Wording." Und weiter: "Haben wir alles getan, haben wir rechtzeitig gewarnt? Das muss Eindruck machen, um Angriffe abzuwehren." Mit jedem Satz wird der Ausschnitt ein kleines bisschen größer.

Unklar ist auch, in welchem Umfang Spiegel am Abend der Flut Kontakt mit Mitarbeitern hatte, sich also um die Lage kümmerte. Der Staatssekretär im Umweltministerium hatte sie um 22.34 Uhr angerufen, aber nicht erreicht, daraufhin habe sie ihn zurückgerufen. Nur: Dazu findet sich in den Akten des Untersuchungsausschusses kein Eintrag. Und auch für die Zeit danach nennt Anne Spiegel nur zwei Gesprächspartner, den Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Landtag und ihren Mann. Spiegel sagt, sie sei gegen zwei Uhr ins Bett gegangen.

"Kein Extremhochwasser"

Und dann ist da noch die Pressemitteilung. Bereits Tage vor der Flutkatastrophe hatte es Warnungen vor einem möglichen Hochwasser gegeben, am Tag selbst auch noch mal. Die rheinland-pfälzische Landesumweltbehörde LfU - die Spiegels damaligem Ministerium untersteht - gab am Nachmittag eine Prognose heraus, derzufolge der Pegel auf bis zu 5,19 Meter steigen könne. Um 16.43 Uhr schickt ihr Ministerium eine Mitteilung raus, in der sie sich so zitieren lässt: "Wir nehmen die Lage ernst, auch wenn kein Extremhochwasser droht." Kurze Zeit später bezeichnete ihr Staatssekretär diesen Stand als "überholt" - das Ministerium aber korrigierte die Mitteilung nicht.

Am frühen Samstagmorgen bleibt deshalb vor allem ein Eindruck: dass Anne Spiegel Glück hat. Dass der Ukraine-Krieg alles überlagert, dass es um die Höhe von Wehretat und Gaspreisen geht und nicht darum, was sie als Landesministerin geschrieben oder nicht geschrieben hat. Denn der Eindruck von ihrem Krisenmanagement während der Flutkatastrophe ist nicht deutlich besser geworden.

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