Süddeutsche Zeitung

Profil:Aminata Touré

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Designierte Sozialministerin, total glücklich

Von Peter Burghardt

Am Tag danach fliegen ihr die Glückwünsche entgegen. Aminata Touré, Kind von geflüchteten Eltern aus Mali, geboren vor 29 Jahren in Norddeutschland, seit zehn Jahren bei den Grünen - und jetzt wohl bald Schleswig-Holsteins Sozialministerin im schwarz-grünen Kabinett von Daniel Günther. "Total krass" seien die Reaktionen, sagt sie am Donnerstag am Telefon, sie bekomme Anrufe, Mails, SMS, Posts. Sie hat den Eindruck, "dass sich viele Leute total freuen würden".

Am Mittwoch brach es aus ihr heraus, als in der Kieler Wunderino-Arena der Koalitionsvertrag von CDU und Grünen vorgestellt wurde. Noch sind die künftigen Besetzungen der acht Ressorts nicht offiziell, beide Parteien müssen erst zustimmen, danach wird dann am kommenden Mittwoch die neue Regierung Günther vereidigt. Aber die meisten Posten sind schon bekannt. Beim Ministerium für Soziales sei überlegt worden, "dass ich das machen würde", berichtete Aminata Touré fröhlich. "Es wäre mir eine Ehre."

Es wäre ein weiterer Gipfel dieser bemerkenswerten Karriere. Vater und Mutter erreichten nach dem Putsch im afrikanischen Heimatland 1991 Neumünster, die jüngste Tochter kam dort 1992 zur Welt und verbrachte ihre ersten Jahre in einer Flüchtlingsunterkunft - in den Kindergarten durfte sie aus "aufenthaltsrechtlichen Gründen" nicht, die deutsche Staatsbürgerschaft bekam sie erst mit zwölf. Sie studierte Politik und französische Philologie, trat 2012 der Grünen Jugend bei, wurde 2016 in den Vorstand der Landespartei gewählt, 2017 in den Landtag. 2019 wurde sie dessen Vizepräsidentin.

Jetzt steht also der Aufstieg zur Ministerin bevor, noch vor dem 30. Geburtstag. Aminata Touré wirkt reifer, eine kluge, zugängliche und spontane Frau. Es macht ihr nichts aus, wenn sie statt ausformulierter Sätze auch mal das Wort "krass" verwendet. Sie weiß ja genau, dass ihre Vita aus verschiedenen Gründen aus dem Rahmen fällt, trotz aller Veränderungen in der deutschen Politik. Jung, weiblich, schwarz und sogenannter Migrationshintergrund, obwohl ihre Heimat Schleswig-Holstein ist - "das war nicht der klassische Weg", sagt sie.

Die Hürden der Integration kennt sie aus eigener Erfahrung

Weil sich so ein Leben nicht auf wenigen Zeilen und in wenigen Minuten erklären lässt, hat Aminata Touré ein Buch geschrieben. "Wir können mehr sein", heißt es, "Die Macht der Vielfalt". Sie schreibt darin auch über ihren Vater, der die Familie verließ, im Gedicht "Der fehlende Vater". Auch ihre Mutter kommt zu Wort. Man merkt in Gesprächen schnell, dass sie das Thema Rassismus nicht ständig in den Mittelpunkt schieben will. Doch die Hürden der Integration kennt sie aus eigener Erfahrung, was als Sozialministerin von einigem Vorteil ist.

Früher lebten die Tourés in einem Block, deren Bewohner noch keine Aufenthaltstitel hatten. Später, vor allem während der Debatte um "Black Lives Matter", bekam sie manch böse Nachricht. "Es gibt immer noch Idioten", sagt sie. "Das blockier' ich, bring's zur Anzeige, und weiter im Text." Nun war sie maßgeblich daran beteiligt, dass mit Günthers Union dieses erste Bündnis von CDU und Grünen zwischen den Meeren herauskam, trotz aller politisch-kulturellen Unterschiede beider Parteien. Nun wird sie sich als Verantwortliche um das kümmern, was sie seit Jahren beschäftigt. Sozialpolitik, Kinder und Jugend, Migrantengeschichten, Gleichstellung, eine diverse Gesellschaft, Antidiskriminierung. Es gibt viel zu tun.

Die Anwärterin auf den Ministerinnenposten hat "total Respekt vor der Aufgabe" und schaut "total freudig darauf". Nach der Präsentation des Vertragswerks habe sie zum ersten Mal seit Monaten wieder durchgeatmet, erleichtert nach Parteinominierungen, Wahlkampf, Wahl, Verhandlungen. Aminata Touré, die in Kürze Ministerin wird, nahm sich zwei Stunden Zeit, aß ein ungarisches Gericht und sagt: "Gestern habe ich mir einfach mal erlaubt, voll glücklich zu sein."

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