Süddeutsche Zeitung

Zum Streit um die Bambi-Verleihung 2011:Bushido und Integration ist wie Bohlen und Pädagogik

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Was wurde nicht alles gestritten um diese Bambi-Verleihung! Und wäre sie nicht ohne den Preis für Rüpel-Rapper Bushido einfach mal wieder nur fade gewesen? Trotzdem: Wer einem wie Bushido die Läuterung glaubt, der wird seinen Stinkefinger sehen.

Hans Hoff

Was wäre die diesjährige Bambi-Verleihung ohne die Aufregung um die Preisverleihung an den Rapper Bushido gewesen? Die Antwort ist einfach: Eine ähnlich dröge Veranstaltung wie in den Jahren zuvor.

Natürlich kann man auch Spaß haben an so etwas. Man muss es nur prickelnd finden, wenn Veronica Ferres, ohne deren Anwesenheit eine Bambi-Verleihung offensichtlich nicht gültig ist, stocksteif ihre Laudatio für den besten Schauspieler herunterrasselt. Nun wäre das noch zu ertragen gewesen, hätte nicht kurz vorher Gwyneth Paltrow gezeigt, wie man professionell auftritt, wie man betörend locker wirkt und trotzdem den Anschein großer Ernsthaftigkeit wahrt. Unklar blieb, ob die stets ein wenig britisch wirkende Amerikanerin "The Bämbi Awards" ein bisschen moderierte, weil sie den Bämbi bekam, oder ob sie den Bämbi bekam, weil sie ein bisschen moderierte.

In Wahrheit ist es natürlich wurscht. Für Hollywood-Stars gilt eine klare Regel: Einen Bambi kriegt, wer gerade kann. Außerdem hat Paltrow nicht richtig moderiert, sondern nur ein bisschen angesagt. Schließlich hatte man in diesem Jahr bewusst auf einen offiziellen Moderator verzichtet und ließ das Mikrofon einfach weiter reichen, von Star zu Sternchen, von Sternchen zu Star. Gefehlt hat nichts.

Natürlich gab es auch schöne Momente. So ist Axel Milberg eine launige Rede auf die Lebenswerk-Preisträgerin Ruth Maria Kubitschek gelungen, und Sandra Maischberger kam bei ihrer glänzenden Laudatio auf Altkanzler Helmut Schmidt, der gegen alle hanseatische Ordensverweigerungssitte einen sogenannten Millenium-Bambi annahm, dem Vorbild von Gwyneth Paltrow sehr nahe. Ernst in der Aussage, leicht im Vortrag. So macht man das.

Interessant an diesem Abend war indes eine Kollision. Nicht die mit dem Rapper, sondern die zwischen gestern und heute. Da saß im Saal das deutsche Show-Establishment, also alles, was Rang und Falten hat, während auf der Bühne vornehmlich die Neuzeit vertreten war. Besonders deutlich war das zu spüren, als Justin Bieber auftrat. Mit dem 17-Jährigen konnte ganz offenbar niemand im Saal etwas anfangen. Oder beim Auftritt von Lady Gaga: Die saß zwar am Keyboard wie ein vergessener Sitzsack, aber die technische Inszenierung war ziemlich stadionreif.

Sowohl Justin Bieber als auch Lady Gaga sind Phänomene einer digitalisierten Neuzeit. Sie finden ihre Fans in sozialen Netzwerken und nicht auf Bällen wie diesen. Zu solchen Galas werden sie trotzdem geladen, weil die Veranstalter wissen, dass sie nicht überleben können, wenn sie nur analog ticken.

Einer ähnlichen Furcht war wohl auch die Entscheidung geschuldet, einen wie Bushido zum Bambi-Preisträger für Integration zu machen. Der Rapper, der bei Facebook einer knappen halben Million "Personen" "gefällt", mag den Preisausrichtern des Burda-Verlags wie ein Tor erschienen sein zu Menschen, die sie sonst nie erreichen.

Dass sich darob ein berechtigter Entrüstungssturm in Politik, Verbänden und Netzwerken formierte, dürfte die Veranstalter überrollt haben. Ganz offensichtlich hatten sie keine Ahnung, wen sie sich da ins Haus holen. Wer Bushido auszeichnet, muss wissen, dass der in seiner Karriere die übelsten Texte kreierte, in denen Frauen und Schwule wie Aussatz behandelt wurden, dass er Erfolg genau damit hatte und hat. Wer einem wie Bushido die Läuterung glaubt, wird schneller als ihm lieb ist, dessen Stinkefinger sehen. Wer Bushido für Integration belobigt, muss auch Dieter Bohlen als Pädagogen ehren.

Wie eine Erlösung wirkte es da, als der mit einem Bambi geehrte Rosenstolz-Sänger Peter Plate von der Bühne herab verkündete, dass er solch eine Auszeichnung "nicht korrekt" finde. Dass Bushido, der übrigens gerade eine neue CD und eine Tournee vermarkten muss, sich später in einer vierminütigen, höchst kruden Rede rechtfertigte, alle Missetaten öffentlich bereute und dabei schlimmer stammelte als die Ferres, versöhnte kaum. Wer Bushido ein wenig kennt, weiß, dass er diese Rede in ein paar Jahren genau so als Jugendsünde abtun kann wie heute seine alten Texte. Spätestens wenn das Geschäft eines in die Jahre gekommenen Rüpelrappers wieder ein bisschen mehr Härte erfordert.

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Quelle:
SZ vom 12.11.2011
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