Süddeutsche Zeitung

ZDF-Historiker Guido Knopp geht in Rente:Ende einer Ära

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Irgendwo zwischen dem ganz großen Publikumserfolg, "Geschichtspornografie" und "Remmidemmi": Guido Knopp hat sich als "Chef-Historiker" des ZDF etabliert, mit seinem Team das Format Geschichtsdoku umgekrempelt und dafür Lob wie Kritik erfahren. Nun kündigt er seinen Ruhestand an.

"Hitler - eine Bilanz", "Hitlers Helfer", "Hitlers Frauen", "Holokaust" (sic!), "Die Große Flucht", "Der Jahrhundertkrieg", "Die SS", "Die Gefangenen", "Sie wollten Hitler töten", "Das Drama von Dresden", "Die Wehrmacht - eine Bilanz", aber auch "Goodbye DDR" und "Unsere Besten" - der Historiker Guido Knopp ist seit Jahrzehnten der deutsche Fernsehgeschichtslehrer schlechthin.

Nun hat er für Anfang 2013 seinen Ruhestand angekündigt. "Dann werde ich 65 Jahre alt und das ist der gesetzliche Beginn der 'Zeit danach'", bestätigte Knopp der dpa in Mainz. Seine letzte "History"-Sendung werde er am 27. Januar präsentieren - zwei Tage später ist sein Geburtstag. Doch selbst im Ruhestand werde es nicht viel Freizeit geben. "Es gibt einige Angebote, die sortiere ich gerade", sagte er.

Knopp arbeitet seit 1978 für das ZDF. Sein letztes großes ZDF-Projekt vor dem Ruhestand wird "Weltenbrand", eine achtteilige Reihe mit Dokumentarfilmen über die Jahre 1914 bis 1945. Laut Knopp sollen drei Teile dieses Jahr und fünf Teile 2013 ausgestrahlt werden. Zuletzt präsentierte der TV-Historiker unter anderem die Serie "History". Er sei sich sicher, dass es diese Geschichtssendung auch nach seinem Ausscheiden geben wird, sagte Knopp.

Was für eine Laufbahn. Knopp promovierte 1975 an der Universität Würzburg zur "Einigungsdebatte und Einigungsaktion in SPD und USPD" - und suchte dann das Publikum anstatt der klassischen Unilaufbahn. Nach Anfängen als Printjournalist stieg er beim ZDF ein und baute dort in den achziger Jahren die Redaktion "Zeitgeschichte" auf.

Seit Mitte der 1990er Jahre wurde Knopp einem breiten Publikum durch Geschichtssendungen zur besten Sendezeit bekannt. Nicht zu vergessen auch die Begleitbücher, die meist hohe Auflagen erreichten. Während Knopps Akademikerkollegen - auch er selbst darf sich seit 1994 Professor nennen - meist von der Öffentlichkeit unbeachtet forschen und publizieren, konnte sich der "ZDF-Chefhistoriker" in Deutschland als populäre Instanz etablieren.

Dabei trat er nicht unbedingt zurückhaltend auf. 1995 etwa präsentierte er die Doku-Reihe "Hitler - eine Bilanz". Ein Anspruch, der prompt für Kritik sorgte. Der Diktator blieb bis heute das große Thema von Knopp. 1997 kam die erste Staffel der Serie "Hitlers Helfer" auf den Bildschirm. Die Reihe sorgte auch im Ausland für Aufmerksamkeit und wurde in mehr als 40 Länder verkauft.

Was mittlerweile zum Standardprogramm von Dokus im deutschen Fernsehen gehört, führte Knopp mit der zweiten Staffel von "Hitlers Helfer" 1998 ein: "szenische Zitate", also von Schauspielern nachgestellte historische Szenen. Auch das ist Geschmackssache. Frank Schirrmacher etwa schrieb in der FAZ: "Es geht jetzt alles durcheinander (...). Es sollen die Hersteller dieser Sendungen reden von Marktanteil, Quote, Reichweite und Remmidemmi; aber sie sollen schweigen von historischer Aufklärung". Die Zeit resümmierte 2004: "Seine Kritiker werden ihm vor, er beute die Vergangenheit aus wie eine Kolonie und betreibe 'Geschichtspornografie'".

Bei der breiten Masse kam der neue Doku-Stil dagegen bekanntlich gut an. Und auch der weltbekannte Leiter des Bundes Jüdischer Verfolgter, Simon Wiesenthal, lobte bereits 1998 in einem offenen Brief, dass Knopp "einen guten Weg gefunden" habe, "dieses Kapitel der Geschichte (...) so anschaulich und angemessen darzustellen, dass Millionen von Zuschauern sich dafür interessieren".

Längst hat Knopp mit seinem Team das gesamte Geschichtsspektrum abgegrast - mit Serien wie "Unsere Besten" mit einer Wahl der 100 bedeutendsten Deutschen oder auch mit der "Geschichte der Deutschen. Von Karl dem Großen bis zum Mauerfall", pünktlich zum Fußball-WM 2006.

Als bleibendes Vermächtnis von Knopps aktiver Laufbahn könnte sich das Projekt "Gedächtnis der Nation" erweisen. Es handelt sich dabei um ein digitales Archiv, in dem Videos von Zeitzeugen-Interviews gesammelt werden . Dazu tourt auch ein "Jahrhundertbus" durchs Land, um Stimmen einzufangen und für die Nachwelt festzuhalten.

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