Süddeutsche Zeitung

ZDF:Drei Buchstaben

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Ein Fernsehteam hat ein HIV-positives Mädchen von der Grundschule bis zum Abitur begleitet. Nun ist ein zweiter Teil der Doku zu sehen. Er erzählt von den Folgen des Outings.

Von Michael Neudecker

Es gibt da diese Szene, die auf so wunderbare Weise zeigt, wie unbekümmert Kinder sein können. Corinne, ein damals zwölfjähriges Mädchen, sitzt fröhlich vor der Kamera, dann sagt sie: "Also wenn ich jetzt nicht die Tabletten nehmen würde, dann hätte ich Aids. Aber meine Krankheit heißt nicht Aids, ich habe HIV-positiv. Das hat mir meine Mama erklärt."

Die bemerkenswerte Dokumentation Corinnes Geheimnis hatte 2015 auf dem Münchner Dokumentarfilmfest Premiere und wurde kurz danach im ZDF gezeigt. Die Filmemacherin Maike Conway hatte Corinne begleitet, seit sie acht Jahre alt war; das Mädchen lebte bei einer Pflegefamilie am Chiemsee, es ist seit der Geburt HIV-positiv. Die Pflegefamilie aber verschwieg die Infektion, aus Angst vor Mobbing - obwohl Corinnes Werte bis heute unter der Nachweisgrenze liegen und daher so gut wie keine Übertragungsgefahr besteht. Der Film war vor vier Jahren Corinnes Outing, begleitet von einer Reportage in der Süddeutschen Zeitung.

Im Dorf, in dem die Familie lebt, war Corinne ein großes Thema in den Sommerwochen 2015, unter die vielen positiven Reaktionen auf das Outing mischten sich auch ein paar der erwartet kritischen. Corinne war 18, sie zog kurz danach nach Fuerteventura, um im dortigen "Robinson Club" zu leben und zu arbeiten, und natürlich war ihre Geschichte damit nicht zu Ende.

Maike Conway blieb mit Corinne in Kontakt, besuchte sie auf Fuerteventura und drehte eine sehenswerte Fortsetzung. Darin kommt natürlich auch jene Szene noch mal vor, in der das Mädchen damals ihre Infektion beschrieb, die Fortsetzung beginnt mit einer kurzen Rückblende. Conway erzählt danach in gewohnt ruhiger Art, wie es Corinne in den fast vier Jahren auf Fuerteventura erging: wie sie ihren ersten Freund kennenlernte, einen Spanier, mit dem sie ein Jahr zusammen war. Und mit dem sie ihr erstes Mal erlebte.

Mittlerweile lebt Corinne in Mecklenburg-Vorpommern, wo sie zur Hotelfachfrau ausgebildet wird; damit endet der zweite Film. Gut möglich, dass nun vieles von vorne beginnt, das sie auf Fuerteventura schon hinter sich hatte, das Outen, Erklären, Aufklären, denn das wird ja immer Teil ihrer Geschichte sein. Die Medizin mag sich weiterentwickeln, HIV aber bleibt ein Kürzel mit drei angstmachenden Großbuchstaben. Zumindest daran hat sich in den vergangenen vier Jahren nichts geändert.

37 Grad : Ich lebe positiv , ZDF, 22.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 09.07.2019
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