Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Stuttgart:Dämon Dieu!

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Von Cornelius Pollmer

Dem Okkultismus ging es auch schon mal besser, in früheren Leben oder anderen Welten, mindestens aber in den Jahren ab 1948 in Deutschland. Seinerzeit gab Axel Springer den Titel Merlin heraus, eine "Schriftenreihe für Grenzwissenschaften und Schicksalskunde", die, Serviceorientierung!, auch über "praktischen Okkultismus" berichtete und so eine Art Brandlust der damaligen Zeit hätte werden können. Wurde sie aber nicht, sie wurde stattdessen abgesetzt, und wenn Merlin nun trotzdem durch diese Zeilen stäubt, dann wegen des neuen Tatorts aus Stuttgart. "Hüter der Schwelle" ist die erste Arbeit für die Reihe von Regisseur Piotr J. Lewandowski und sie ist, dies vorweg, wirklich gelungen.

Immer wieder transzendiert dieser Film aus Gegenwarts-Schwaben heraus in Halb- und Unterwelten, die Idee der Schwellen wird schon in der ersten Sequenz sinnig etabliert. Auf einem Felsüberhang liegt, nackt, der Student Marcel Richter, die Obduktion stellt sprachlich sanft regionalkoloriert "Kratzspure" und "Würgestrieme" fest, alles deutet auf einen Ritualmord hin. Mutter Richter ergoogelt sich daraufhin den Satanismus, Kommissar Lannert (Richy Müller) versucht hingegen, mit klassischer Polizeiarbeit und Schicksalskunde die Sache zu erhellen. Kollege Bootz (Felix Klare) aber tritt selbst über Schwellen und dies nicht allein aus Diensteifer, sondern um seinen eigenen Dämonen zu begegnen.

Feuer knackt und Taschenlampenkegel tanzen

Wieder einmal kombiniert der Tatort aus Stuttgart stringente Erzählung mit maßvollem Wagemut, wieder einmal bleibt neben den Kommissaren Platz für stimmige Figuren wie den wunderlichen Hexenmann Luxinger (André Hennicke) und die wunderliche Studentin Jäger (Saskia Rosendahl), die auf das Wir-wollen-Ihnen-ein-paar-Fragen-stellen-Entrée, der Ermittler gleich schnell und gut antwortet: "Ja, ich Ihnen auch." Es gibt in diesem Film stille Bilder, aber auch eine Art modernen Ausdruckstotentanz, Feuer knackt und Taschenlampenkegel tanzen. Und weil die Auflösung der Geschichte ordentlich gebaut ist, lassen sich auch kleinere Detailfehler übersehen, die einen andernfalls unbedingt störten. Zudem gibt es in diesem Film etwas zu lernen, nämlich über die Strafbarkeit von Schadenszaubern in Deutschland. Die Rechtslage hat sich, so viel Spoiler sei gestattet, seit dem Mittelalter durchaus verbessert.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 28.09.2019
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