Süddeutsche Zeitung

Tatort aus München:"A bisserl übernommen"

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Die Routiniers Batic und Leitmayr wollen Therapieformen erläutern und die Spannung hochhalten - damit nehmen sie sich zu viel vor.

Von Holger Gertz

Seit einiger Zeit weiten die Krimi-Dramaturgen das Feld, um an neue Stoffe zu kommen. Siedeln Handlungen im Unterbewussten an, verlegen Pointen in den Randbereich des Träumerischen - es gibt zu viele Sendeplätze, die befüllt werden müssen. Im Tatort Münster ist sogar Professor Boerne vorübergehend mal zum Geist weiterentwickelt worden, und im vergangenen Jahr wurden die eigentlich schwer im Hier und Jetzt verankerten Münchner Routiniers Batic und Leitmayr (Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl) mit dem Phänomen des Klarträumens in Berührung gebracht - ein Experiment, das nicht nur die Kommissare, sondern auch die Zuschauer mit eher gemischten Gefühlen zurückließ.

In der Episode "Flash" (Regie: Andreas Kleinert, Buch: Sönke Lars Neuwöhner und Sven S. Poser) nun müssen die Ermittler den dementen Psychotherapeuten Dr. Prinz (Peter Franke) ins Gebet nehmen, um herauszufinden, wie ein alter Mordfall mit einem mutmaßlich neuen zusammengehört. Zum Einsatz kommt hierbei die Reminiszenz-Therapie, mit der man an die im Langzeitgedächtnis gespeicherten sachdienlichen Hinweise heranzukommen gedenkt. Reminiszenz-Therapie? "Die Beeinflussung der Sinne durch Möbel, durch Musik, durch Gerüche", erläutert der in das Experiment involvierte Neuropsychologe Ralph Vonderheiden (André Jung). Man baut dem alten Therapeuten also seine frühere Praxis nach und reinigt das Ganze - wie früher - mit einem stark chlorhaltigen Mittel. Denn: "Geruchserlebnisse sind ein direkter Zugang zur Erinnerung." Kennt man so ähnlich aus dem herrlichen Pixar-Zeichentrickfilm mit den Ratten in Paris: Der Genuss eines Ratatouille-Gerichts lässt den gefürchteten Gastro-Kritiker Anton Ego gedanklich zurücksausen an den von der Mutter gedeckten Tisch.

Der Tatort erklärt Therapieformen, taucht damals ab und diesmal auf, will aber auch ein Krimi sein, noch dazu ein voll ambitionierter, bei dem am Ende alles anders ist als es anfangs scheint. Dabei gerät die Konstruktion ins Schlingern, und schließlich wird auch nicht mehr klar unterschieden zwischen den verlorenen Erinnerungen des einen Mannes und den verdrängten Erinnerungen eines anderen. "Ich glaub, diesmal haben wir uns a bisserl übernommen", sagt Ivo Batic. Nach 88 Fällen weiß er ja, wovon er spricht.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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