Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Kiel:Der Indiana Jones von Kiel

Lesezeit: 2 min

"Borowski und der Fluch der weißen Möwe" wird weniger von Namensgeber Borowski angetrieben, als von Kollegin Sahin. Und wenn der alles zu viel wird, packt er die Mentor-Fähigkeiten aus.

Von Claudia Tieschky

(Diese Rezension ist erstmals am 08.05.2020 erschienen. Nun, da der Tatort am Sonntagabend wiederholt wird, veröffentlichen wir sie erneut.)

In diesem Tatort aus Kiel springt am Anfang ein Mädchen namens Jule vom Hochhaus. Beinah hätte sie es nicht getan, beinah hätten die zwei Polizisten, die eigentlich erst Polizeischüler sind, ihr das ausgeredet. Da rennt die Kollegin Nasrin Erkmen auch noch aufs Dach, und man sieht an ihrer Bestürzung, sie und Jule kennen sich und es wird nichts mehr gut.

Der Titel "Borowski und der Fluch der weißen Möwe" klingt nach Indiana Jones von Kiel und führt in vieler Weise in die Irre. Denn die Sache treibt hauptsächlich Kriminalkommissarin Mila Sahin (Almila Bagriacik) voran. Borowski darf sich in der tänzelnden, augenrollenden Abwesenheit ergehen, die Axel Milberg der Figur schon seit einer Weile angedreht hat, der Kommissar wirkt ja mehr und mehr wie eine große Comic-Biene, die von Blümchen zu Blümchen summt.

Auf Mila Sahin ist man weiterhin neugierig

Die Polizeianwärterin Nasrin Erkmen also ist das Zentrum und die Unheilsbringerin in diesem Tatort. Als sie später in der Polizeiakademie einen Einsatz als Rollenspiel proben und Borowski und Sahin die Übung leiten, da dreht Erkmen komplett durch, sticht zu, Blut überall und ein Toter. Das Drama dahinter wird erkennbar, wenn man ihr zusieht, wie sie bei den Vernehmungen mit etwas nicht fertig wird, das sie nicht sagt. Und Mila Sahin wird nicht damit fertig, dass sie den Tod im Unterricht nicht verhindern konnte und vielleicht auch Nasrin Erkmen nicht retten kann. Sehr langsam, sehr spannend führt der Film in dieses Unheil hinein, dröselt es auf, und es ist verstörend, wie verängstigt und stumpf geworden Soma Pysall diese Nasrin Erkmen spielt, die eine Boxerin ist und Polizistin werden will und es schon fast geschafft hatte.

Almila Bagriacik hat in ihrem vierten Kieler Tatort, in dem ganz viel stimmt (Regie Hüseyin Tabak, Buch Eva Zahn und Volker A. Zahn), Mila Sahin zu einer unverwechselbaren Person hinentwickelt, auf die man neugierig ist. Kein übertrieben redseliger Charakter, mitfühlend, selbstständig. Interessant, dass diese souveräne Figur Borowski nichts nimmt, sondern atmosphärisch etwas öffnet. Unklar bleibt, wie allein Mila eigentlich ist.

Gar nicht allein war zum Glück Almila Bagriacik: Der Berliner Rapper Sero hat eine Nebenrolle und nahm den Titelsong mit ihr zusammen auf. Außerdem spielte sie in der Serie 4 Blocks die Amara Hamady, und weil Kida Khodr Ramadan im Tatort als Jules Vater Luca mitwirkt, treffen sich zwei, die lange Bruder und Schwester spielten. Es geht um Schuld in dieser Folge, aber Luca ist ein weiser Mann.

Wenn Mila alles zu nahe geht, kommt Biene Borowski von Blume Nummer sieben gesaust, um als Mentor ein ernstes Wort mit ihr zu sprechen.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr

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Quelle:
SZ vom 09.05.2020
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