Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Frankfurt:Ohne Ironie in die Wunde

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Von Katharina Riehl

Relativ zu Beginn dieses Krimis aus Frankfurt legt Hauptkommissarin Janneke den Finger in die Wunde, und es wäre so großartig, wenn das ironisch gemeint sein könnte. Denn Anna Janneke (Margarita Broich) hat tatsächlich eine Wunde am Kopf, jemand hat ihr etwas über den Schädel gezogen. Sie ist noch nicht wieder ganz bei Sinnen, als sie also sehr entschlossen den Finger in ihre Wunde legt und damit diese unerträgliche Phrase über angeblich aufklärerische Krimis aus den Programmzeitschriften bedient; dann fällt sie vor Schmerz in Ohnmacht. Man ist kurz versucht, entzückt zu sein. Doch vermutlich ist es kein Kunstgriff, denn Ironie ist das, was der Tatort aus Hessen am allerwenigsten beherrscht.

Das Schädel-Hirn-Trauma samt Platzwunde hat sich die Hauptkommissarin in einem geheimnisvollen Büroturm zugezogen, eine junge Frau war dort vom Dach gestürzt (worden). Weil Janneke samt Wunde anfangs nicht mitermitteln kann, ist ihr Kollege Brix (Wolfram Koch) zunächst alleine empört über den schrecklichen Zustand der Welt, in der Menschen in Türmen krumme Geschäfte machen und wenn man da mal gucken will, kommt gleich die Security. Eine fiese Anwältin (Katja Flint) kommt auch und macht alle vielversprechenden Ermittlungsansätze zu Bankern und Prostituierten zunichte. Und der Staatsanwalt ist irgendwie auch nicht so richtig nett. In keinem anderen Tatort-Ermittlungsgebiet stehen die Ermittler so uneingeschränkt auf der Seite des Guten wie in Hessen.

Gut, dass zumindest die beiden Kommissare sich haben, denn es gibt derzeit auch kein anderes Duo im Tatort, das sich so lieb hat wie Janneke und Brix, und das soll natürlich nicht heißen, dass sich jedes Krimiteam anschreien müsste. Aber wo bei den Kollegen in Dortmund oft zu viel Spannung in der Luft liegt, als dass es noch plausibel erschiene, ist es in Frankfurt eher ein Zuviel an Liebe.

Die Ermittlungen im Fall des rätselhaften Bankerturms (Buch und Regie: Lars Henning) gestalten sich also harmonisch, aber schwierig - keiner will reden, obwohl die Kommissare doch so freundlich fragen. Das System ist immer stärker als die Redlichen, das ist die Botschaft dieses Films. Und der legt damit, keine Frage, den Finger in die Wunde.

Das Erste, Zweiter Weihnachtstag, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 24.12.2018
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