Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Franken:Perlen der Dialogkunst

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Im vierten Fall aus Franken müssen die Kommissare Ringelhahn und Voss den Mord an libyischen Geschwistern aufklären. Wer im Handlungsdickicht genau hinhört, wird belohnt.

Von Holger Gertz

Regisseur Max Färberböck und Drehbuchautorin Catharina Schuchmann waren es, die den Franken- Tatort entwickelt und schnell etabliert haben. In der Premierenfolge 2015 wurden die neuen Kommissare Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) aufeinander losgelassen, und weil beide keinen an der Waffel haben - eine Seltenheit im Tatort-Panorama -, verstanden sie sich gleich und gingen fürsorglich miteinander um. "Der Himmel ist ein Platz auf Erden" hieß die Folge damals, und obwohl das Stück eine Tragödie war, wurde der Himmel immer wieder in den Blick genommen, als Trost und Zwischenschnitt. Und die Autorin brachte es sogar fertig, vollkommenen unangestrengt fränkische Prachtbegriffe wie Rrohrrreinichung im Buch unterzubringen.

Der vierte Fall der Franken, "Ich töte niemand", stammt wieder vom Duo Färberböck/Schuchmann. Die beiden Kommissare sind aneinander gewachsen inzwischen, das Fränkische steht als Dialekt und Person beeindruckend wie immer in der Szene, es gibt wunderbare Verhör-Momente und Detailaufnahmen regionaler Herrenhintern in Trainingsklamotten. Die helle Freude: ein Dialog zwischen Fabian Hinrichs und dem Comedian Roman Sörgel in der Rolle eines Platzwarts.

Aus dem Porträt einer Region wächst eine Philosophie über die Bedeutung von Begriffen und Werten, aufzuklären ist der Mord an einem 58-jährigen Libyer und seiner Schwester; deren Ziehsohn ist verschwunden, und es stirbt kurz darauf ein Fachmann aus dem Betrugsdezernat. Kommissarin Ringelhahn hat nicht hingeschaut, wie dieser Mann, ein naher Freund, offenbar in die rechte Szene abgeglitten ist.

Alles zerfällt, und der Film ist ungewohnt konsequent darin, diesen Zerfall entsprechend abzubilden. Stimmen aus dem Off, Handlungen in dunklen Zimmern, Personen werden ohne lange Einführung auf die Bühne gestellt, gegen Ende werden zwei entscheidende Sequenzen als Dialog beziehungsweise Monolog aufgeführt, da sprengt dieser Tatort mal wieder alle Grenzen. Der helle Himmel aus der Premierenfolge hat hier jedenfalls keinen Platz, und wer noch umständlich nach ihm sucht, ist im Handlungsdickicht schnell verloren.

Wer genau hinschaut und vor allem hinhört, wird allerdings belohnt mit Perlen der Dialogkunst in einem Sonntagabendkrimi. Den wahrhaft großen Satz "Dummheit, die sich aufgerufen fühlt, ist unbesiegbar", sagt ausgerechnet ein teuflischer Mann, und am Ende ist es der freundliche Ermittler Voss, der in einer kaputten Welt sogar das Durchhalten neu definiert, als Schwäche: "Sie stehen ja schon wieder. Immer wieder. Ist das nicht schrecklich?"

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr.

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Quelle:
SZ vom 14.04.2018
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