Süddeutsche Zeitung

Neuer "Tatort" aus Zürich:Bis Züri wirklich brennt

Lesezeit: 2 min

Carol Schuler und Anna Pieri Zuercher tragen die Einstandsepisode über manche Schwächen hinweg - und danach ist für sie alles möglich.

Von Holger Gertz

Das ist der erste Tatort des neuen Ermittlerinnenteams aus der Schweiz, und Premieren sind im Tatort eine heikle Angelegenheit. Der erste Fall soll natürlich aufregend sein, und parallel müssen die neuen Kommissare vorgestellt werden, ganze Ermittlerteams inzwischen, die sich zueinander verhalten. Die Konstellationen, die im ersten Fall skizziert werden, sollen länger tragen, die erste Episode ist idealerweise der Auftakt einer größeren Geschichte. Manchmal ist sie auch das glatte Gegenteil: Die erste Folge mit Kommissar Stellbrink (Devid Striesow) aus Saarbrücken war 2013 zum Beispiel so grandios daneben, dass die Figur danach nie mehr auf die Beine kam.

Jetzt nehmen also die Profilerin Tessa Ott (Carol Schuler) und ihre Kollegin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) in Zürich ihren Dienst auf, und ihre Ausgangslage könnte besser nicht sein. Sie folgen auf das Luzerner Duo Flückiger/Ritschard, Schlafes Bruder und Schlafes Schwester: Deren Betulichkeit war nicht mehr zeitgemäß. "Züri brännt" heißt die Folge, Regisseurin Viviane Andereggen packt Zusatzgewicht auf die Premiere, sie hängt die Geschichte in der Realität ein: Bei den Opernhauskrawallen 1980 bekriegten sich Jugendliche und Polizei - dass Züri brannte, war nicht so einfach dahingesagt oder dahingesungen. Nun ist eine Brandleiche gefunden worden, bald taucht ein Totenschädel auf, und so müssen die Ermittlerinnen herausfinden, wie Gegenwart (Leiche) und Vergangenheit (Schädel) zueinanderpassen.

Wenn viel abgehandelt werden muss in so einem Tatort, wird immer viel geredet, so auch hier. Es wird sogar irre viel geredet, zu viel. Es gibt auch zu viel Krimiroutine. Jemand schreibt eine verräterische Telefonnummer so wuchtig auf den Block, dass sie sich auf untere Seiten durchdrückt - wie oft hat man das im Krimi eigentlich schon gesehen? Schließlich: zu viele Klischeefiguren. Zu viele Unglaubwürdigkeiten. Zu viel floskelhafte Beschwörung des Oberthemas: "Die Bewegten von früher sind die Etablierten von heute." Jaja, aber was man sieht, muss man doch nicht auch noch sagen.

Das Ding ist überladen, ein klassischer erster Fall. Er kommt allerdings in Fahrt: spät, aber immerhin. Am Ende löst sich nicht alles in wurstbudenhaftiger Gefälligkeit auf, sondern in einem Knall. Und die Ermittlerinnen spielen mit enormer Energie, sie rasseln ein paar Mal zusammen, da brennt Züri dann wirklich. Carol Schuler und Anna Pieri Zuercher tragen den Film, sie tragen ihn auch über einige Abgründe. Und jetzt, nach der Premiere, liegt alles vor ihnen.

Das Erste, Sonntag, 20.15 Uhr

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