Süddeutsche Zeitung

Ibiza-Doku:"Da war ich überhaupt nicht"

Lesezeit: 2 min

Wie der österreichische Sender Puls 24 mit Heinz-Christian Strache noch einmal zu der berühmten Ibiza-Finca fuhr.

Von Cathrin Kahlweit

Der dritte Jahrestag der Veröffentlichung des Ibiza-Videos vom 17. Mai 2019, das die türkis-blaue Koalition in Österreich zu Fall brachte, wurde in vielen Medien auf die gleiche Weise gewürdigt: mit einer Auflistung aller Strafverfahren, die sich aus dem Abend in der Finca ergeben haben. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und sein Freund, der FPÖ-Politiker Johann Gudenus, hatten auf Ibiza viele wilde Ankündigungen und Versprechen gemacht, wie sie etwa staatliche Aufträge samt Kickback-Zahlungen organisieren oder die Kronen Zeitung kaufen würden. Danach wollten sie - "zack, zack, zack" - alle kritischen Journalisten feuern und dann mit der Medienmacht des Boulevards die Macht im Land übernehmen.

Da Strache während der heimlichen Aufnahme 2017 noch kein Amt inne hatte - er wurde erst ein halbes Jahr danach Vize-Kanzler -, war all das verwerflich, aber nicht strafbar. Österreichs Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hatte gleichwohl wegen des Anfangsverdachts Ermittlungen aufgenommen - und dabei wurden Berge anderer Informationen gefunden, die wiederum zu immer neuen Verfahren führten. Der Stand am 17. Mai 2022: fast zwei Dutzend Mega-Verfahren, drei Anklagen, ein - nicht rechtsgültiges - Urteil und kaum eine Gesetzesänderung zur Vermeidung weiterer Korruptionsvergehen.

Die Performance war peinlich - und für den Sender ein Riesenerfolg

Der Privatsender Puls24 hatte sich lieber etwas anderes einfallen lassen: Herr Strache fährt nach Ibiza - zurück zum Ende hieß die aufschlussreiche und gut gemachte Dokumentation, in der die Journalistin Corinna Milborn mit dem Rechtspopulisten noch einmal auf die Balearen flog, um mit ihm in der Finca über seine Verfehlungen und sein Karriereende zu sprechen. Gegengeschnitten wurden Auszüge aus einem Interview mit dem Macher des Videos, Julian Hessenthaler, der mittlerweile, auch nicht rechtskräftig verurteilt, wegen Drogenhandels im Gefängnis sitzt. Als Dreingabe zum Film gab es dann noch eine TV-Debatte, in der Strache und sein Wegbegleiter Gudenus sich, offiziell seit Ibiza tödlich verstritten, in alter Freundschaft gegenseitig in Schutz nahmen, sowie eine journalistische Analyse zu "3 Jahre Ibiza".

Ein Ergebnis vorweg: Für den Sender war der Ibiza-Abend ein toller Erfolg. Mit 5,5 Prozent Marktanteil bei den 12- bis 49-Jährigen kam Puls 24 damit auf die zweitstärkste Primetime in seiner Geschichte. Das dürfte auch daran gelegen haben, dass schon vorab durchgesickert war, wie ausnehmend peinlich die Performance der beiden Protagonisten sein würde. Die Dokumentation hatte tatsächlich teilweise Comedy-Qualitäten - etwa als Strache zum ersten Mal wieder am Ort des Geschehens war, die Finca aber gar nicht mehr wiedererkannte, und immer wieder stammelte: "Das ist falsch" oder "Das ist komisch" oder "Da war ich überhaupt nicht". Ansonsten kam von Strache und Gudenus wenig: keine Antworten auf scharfe Fragen, stattdessen Schuldzuweisungen und die Behauptung, in Wahrheit seien sie die Opfer.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5587305
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.