Süddeutsche Zeitung

Serie "Babylon" im WDR:"Haben Sie heute Morgen dem Innenminister den Arsch geküsst?"

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Danny Boyle stellt in "Babylon" die Pressesprecher der Polizei in den Mittelpunkt. Leider scheppern wüste britische Schimpftiraden in der deutschen Synchronisation sehr viel weniger.

TV-Kritik von Benedikt Frank

Der Londoner Polizeipräsident wird im Interview gegrillt. Was denn aus den angekündigten Reformen geworden sei? "Nächste Frage", antwortet der Behördenchef. "Haben Sie heute Morgen dem Innenminister den Arsch geküsst?" Kurze Verwirrung, dann gibt die Kamera den Blick auf die ganze Szene frei. Nicht Journalisten befragen Commissioner Richard Miller (James Nesbitt), sondern sein eigenes PR-Team. Dessen Chefin Liz Garvey (Brit Marling) ist aufgebracht, dass Miller sich ihrer Vorbereitung auf eine Befragung im Stadtrat entziehen will. Schließlich muss man im Zeitalter von Social Media offen sprechen, so unverschämt die Fragen auch sein mögen und selbst dann, wenn man nichts sagen will oder nichts zu sagen hat.

Die Channel-4-Serie Babylon lief im britischen Fernsehen schon 2014. Der WDR hat sie nun für das deutsche Publikum entdeckt, zumindest für die Bettflüchtigen unter ihnen: Im Programm ist Babylon als Lückenfüller zwischen dem normalen Abendprogramm und dem Nachttalk Domian platziert. Die sieben Folgen so zu verstecken, wäre wirklich nicht nötig gewesen, denn Babylon ist eine ordentliche Polizeikomödie mit originellem Dreh.

Im Zentrum steht eine eher selten als Teil der Exekutive wahrgenommene Truppe: Öffentlichkeitsarbeiter. In Deutschland entwickeln diese Polizeisprecher - wenn überhaupt - eher unfreiwillig Humor, etwa wenn sie über Lappalien wie einen Pfaffenhofener Strauchdieb allzu engagiert berichten. Die Serie aber handelt vom altehrwürdigen Scotland Yard, der Polizei von London, die weniger provinzielle Probleme hat. Eine Gefängnisrevolte etwa, die die privaten Betreiber zu einer harmlosen Unruhe kleinreden möchten, während die Wärter sich verschanzen und um ihr Leben fürchten. Da müssen Profis ran. Praktisch, wenn man dabei auch der privaten Konkurrenz eins auswischen kann.

Wie Leute sprechen, wenn sie gerade nicht unter öffentlicher Beobachtung stehen

Die Kommunikation scheitert unweigerlich, allerdings ungünstigerweise nicht nur dort, wo das vom Drehbuch gewünscht ist. Wüste britische Schimpftiraden scheppern in der deutschen Synchronisation sehr viel weniger. Und geflucht wird gern und viel, was womöglich auf Danny Boyle zurückzuführen ist, der beim Piloten Regie führte und der schon bei seinem Film Trainspotting wusste, wie Leute sprechen, wenn sie gerade nicht unter öffentlicher Beobachtung stehen. Die Drehbücher dazu kommen von Sam Bain und Jesse Armstrong, die für eine der lustigsten britischen Sitcoms der letzten Jahre, Peep Show, verantwortlich sind.

In Babylon geht es dagegen nicht nur albern zu. Etwas Ernst ist angebracht, schließlich geht es auch darum, auf Prozesse hinzuweisen, mit denen auch reale Behörden längst versuchen, ihr Bild in der Öffentlichkeit zu frisieren. Was Babylon aber auch zeigt: Meistens gelingt es ihnen nicht.

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Quelle:
SZ vom 10.05.2016
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