Süddeutsche Zeitung

Nach der Volksabstimmung:Was das Nein bedeutet

Lesezeit: 2 min

Die Bevölkerung hat das Mediengesetz abgelehnt, mit dem der Staat Schweizer Medien stärker subventionieren wollte. Über die Folgen für die Presse und ihr Publikum.

Von Isabel Pfaff, Bern

150 Millionen Franken mehr sollten es pro Jahr sein, fast eine Verdoppelung der Gelder, die der Schweizer Staat aktuell an private Medien verteilt. Doch die Bevölkerung sagte nein: Knapp 55 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer, die am Sonntag abstimmten, lehnen das von Regierung und Parlament geschnürte Medienpaket ab.

Damit bleibt alles beim Alten. Ein paar kleinere Zeitungen werden weiterhin davon profitieren, dass der Staat ihre Zustellung subventioniert, und auch einige private Radio- und Fernsehstationen werden weiter gefördert, indem sie einen Teil der Radio- und TV-Gebühren erhalten, die die Bevölkerung bezahlt. Alle anderen gehen weitgehend leer aus: größere Zeitungen, die die Bedingungen für die vergünstigte Zustellung nicht erfüllen, Onlinemedien, Nachrichtenagenturen. Sie alle hätten mehr Geld bekommen sollen, damit "auch in Zukunft alle Landesteile und Sprachregionen von den Medien abgedeckt werden", wie das Schweizer Kommunikationsministerium im Vorfeld der Abstimmung schrieb.

Der Volksentscheid ist eine Niederlage für die zuständige Ministerin Simonetta Sommaruga, aber auch für das Parlament, das das Paket in den Beratungen immer weiter aufpumpte, um es für alle zustimmungsfähig zu machen. Offenkundig überwog bei den Abstimmenden das Gefühl, dass hier die Falschen gefördert werden sollen - ein Punkt, den die Gegner des Gesetzes im Abstimmungskampf prominent herausgehoben hatten. "Keine Steuermilliarden für Medienmillionäre" lautete ihr Kernargument, und tatsächlich hätten mit dem Paket auch die großen Spieler auf dem Schweizer Medienmarkt - Ringier, TX Group, CH Media, NZZ - deutlich mehr Geld erhalten als vorher.

Dabei spielen sie eine Schlüsselrolle in der immer stärker konzentrierten Medienlandschaft des Landes: Zwar existieren nach wie vor viele verschiedene Zeitungstitel in der Schweiz, doch dahinter verbergen sich bis auf wenige Ausnahmen die großen Medienhäuser, deren Mantelredaktionen an alle denselben Inhalt liefern. Nur noch wenige Ressourcen fließen in eigenständige Regional- oder Lokalberichterstattung. Laut dem Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Uni Zürich erschien im Jahr 2020 ein Viertel der redaktionellen Beiträge in mehreren Zeitungen. 2017 traf das nur auf zehn Prozent der Beiträge zu.

Hinzu kommen die Entwicklungen im Werbemarkt, die nicht nur Schweizer Medien hart treffen: Werbegelder fließen zu Google und Facebook statt zu den Zeitungen und Onlinemedien; die Erlöse aus Print- und Onlineabos können diese Verluste nicht kompensieren. Laut der Regierung sind aufgrund dieses Strukturwandels seit 2003 rund 70 Schweizer Zeitungen verschwunden.

Diese Trends sind für ein Land mit ausgeprägten Mitbestimmungsmöglichkeiten auf nationaler, kantonaler und Gemeindeebene besonders dramatisch. Wenn es immer weniger Redaktionen gibt, die auch auf den unteren Ebenen genau hinschauen und zur Meinungsbildung beitragen, fehlen den Bürgerinnen und Bürger die Instrumente, um informierte Entscheidungen treffen zu können. "Ohne Medien keine Demokratie" lautete entsprechend der Slogan der Unterstützer des Medienpakets.

Auch wenn das Nein vom Sonntag nun nicht gleich das Aus vieler Medien bedeutet: Das Votum verheißt dennoch nichts Gutes - zumindest, wenn eine Berichterstattung das Ziel ist, die aus vielen verschiedenen Medienhäusern kommt und sich auch auf entlegene Gebiete erstreckt. Politik und Medien müssen nun nach anderen Mitteln suchen, um die strukturellen und auch die hausgemachten Probleme im Schweizer Journalismus zu überwinden. Im Gespräch ist aktuell eine Neuauflage des Pakets, aber diesmal mit klarem Fokus auf kleine, regionale Medien. Betont wird auch die Notwendigkeit eines Leistungsschutzrechts, damit Google und andere Tech-Firmen Schweizer Medien künftig für die Nutzung ihrer Inhalte entschädigen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5528359
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.