Diversität im Journalismus:Chefetage in Weiß
Lesezeit: 1 Min.
Eine Studie untersucht die Zusammensetzung von Chefredaktionen der wichtigsten Online- und Printmedien in verschiedenen Ländern - und kommt zu ernüchternden Ergebnissen.
Von Theresa Hein
Wie sehr entspricht die Führungsriege von Medienhäusern einem Querschnitt der Gesellschaft des jeweiligen Landes?
Eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Reuters-Instituts für Journalismusforschung in Oxford untersucht die Zusammensetzung von Chefredaktionen und kommt zu ernüchternden Ergebnissen. Exemplarisch wurden im vergangenen Jahr Chefredaktionen von 100 Online- und Printmedien in verschiedenen Ländern auf ihre Zusammensetzung hin untersucht, darunter Brasilien, Deutschland, Südafrika, Großbritannien und die USA.
Von den großen Medienhäusern in Deutschland und Großbritannien hat laut Studie keine Redaktion einen nichtweißen Chefredakteur oder eine nichtweiße Chefredakteurin. "Wir haben in unserer Stichprobe keine nichtweißen Chefs gefunden, obwohl beide Länder die Heimat von Millionen nichtweißen Menschen sind", schreiben die Autoren. Untersucht wurden Online-Redaktionen wie die von SZ.de, Zeit Online und BBC News Online und Printredaktionen wie die des Spiegel, der Sunday Times oder des Guardian.
Eine der Autorinnen der Studie, Meera Selva, die Vorsitzende des Journalismus-Fellowship-Programms des Reuters-Instituts, sagt am Telefon, sie sei von den Ergebnissen nicht wirklich überrascht. "Ehrlicherweise ist es so: Wenn eine schwarze Person Chefredakteur oder Chefredakteurin ist, bedeutet das, es gibt eine weiße Person weniger in dieser Position. Es geht bei Entscheidungen zu Diversität immer um das Abgeben von Macht. Das ist nie leicht."
In Brasilien, wo der überwiegende Anteil der Bevölkerung nicht weiß ist, gibt es den Studienergebnissen zufolge einen nichtweißen Chefredakteur, in den USA zwei. Allein in Südafrika gibt es eine Mehrheit: Dort sind 68 Prozent der Chefredakteure nicht weiß. Allerdings leben in Südafrika laut Studie auch 91 Prozent nichtweiße Menschen.
Meera Selva sagt, sie sei fest davon überzeugt, dass es entsprechende Journalistinnen und Journalisten, die gute Arbeit leisteten, in Ländern wie Deutschland zur Genüge gäbe, sie müssten nur gesehen werden. "Es geht darum, die existierende Führungsstrukturen infrage zu stellen. Und außerdem: Wie will man Geschichten über Diversität erzählen, wenn man nicht bereit ist, sich ernsthaft mit Diversität auseinanderzusetzen - und bei sich selbst anzufangen?"