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Reporter ohne Grenzen:Die Pressefreiheit in Europa ist in Bedrängnis

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In keiner anderen Weltregion hat sich die Lage der Pressefreiheit im vergangenen Jahr so stark verschlechtert wie in Europa. Die Medien seien in Ländern wie Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien zunehmend "medienfeindlicher Hetze durch Regierungen oder führende Politiker" ausgesetzt, beklagt die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) in ihrer neuen Rangliste der Pressefreiheit. Deutschland verbesserte sich etwas und rückte in dem Ranking um einen Platz auf Rang 15 vor.

Hass und Verachtung gegen Journalisten zu schüren, sei "in Zeiten des Vormarschs populistischer Kräfte ein Spiel mit dem Feuer", erklärte ROG-Vorstandssprecherin Katja Gloger. "Leider erleben wir das zunehmend auch in Mitgliedsstaaten der Europäischen Union." Vier der fünf Länder, deren Platzierung sich in der neuen Rangliste am stärksten verschlechtert haben, liegen in Europa: Malta, Tschechien, die Slowakei und Serbien. In diesen Ländern werden der NGO zufolge die Freiräume für kritische Berichterstattung durch die Konzentration der Besitzverhältnisse der Medien eingeschränkt. Dies zerstöre die Grundsätze einer demokratischen Gesellschaft und sei in Zeiten des populistischen Vormarschs besonders gefährlich, erklärt ROG-Vorstand Katja Gloger. In der Slowakei sorgte der Mord an dem Investigativjournalisten Ján Kuciak für landesweite Proteste, Ministerpräsident Robert Fico bot an, sein Amt niederzulegen.

Der größte Aufsteiger ist Gambia

Stärkster Absteiger ist Malta, das um 18 Plätze auf Rang 65 zurückfiel. Der Mord an der Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia habe deutlich gemacht, wie eng in dem EU-Land das Geflecht von Politik, Justiz und Wirtschaft sei, teilte ROG mit.

18 Medienorganisationen auf der ganzen Welt, darunter auch die SZ, versuchen im "Daphne Projekt" die Hintergründe des Mordes an Daphne Caruana Galizia aufzuklären. Geleitet wird die Recherche von der gemeinnützigen Rechercheplattform "Forbidden Stories". Zu den Medien, mit denen die SZ kooperiert, gehören die New York Times, der Guardian, Reuters und La Repubblica, in Deutschland die Zeit, NDR und WDR.

Deutschland hält sich laut Rangliste weiter im Mittelfeld der EU-Staaten. ROG kritisierte allerdings die "hohe Zahl an tätlichen Übergriffen, Drohungen und Einschüchterungsversuchen" gegen Journalisten, vor allem während der Proteste gegen den G-20-Gipfel im Juli in Hamburg. Insgesamt zählte die Organisation 2017 in Deutschland mindestens 16 gewalttätige Übergriffe. Für problematisch hält ROG außerdem das Anfang 2017 in Kraft getretene BND-Gesetz, das dem deutschen Geheimdienst die Überwachung von Journalisten im außereuropäischen Ausland ermöglicht, sowie das Netzwerkdurchsuchungsgesetz gegen Hassäußerungen in sozialen Medien.

Im ersten Amtsjahr von US-Präsident Donald Trump haben sich auch die USA erneut um zwei Plätze auf Rang 45 verschlechtert. Trump werde nicht müde, unliebsame Medien als "lügnerisch" zu diffamieren, und habe Journalisten als "Volksfeinde" bezeichnet, heißt es in dem Bericht. In der Türkei, die um zwei Plätze auf Rang 157 zurückgefallen ist, sitzen laut ROG mehr professionelle Journalisten im Gefängnis als in jedem anderen Land der Welt.

Der größte Aufsteiger im diesjährigen Ranking ist das westafrikanische Land Gambia, das von Platz 143 auf Platz 122 vorrückte. Seit der Abdankung des langjährigen Machthabers Yahya Jammeh im Jahr 2016 erlebten die Medien dort einen rasanten Aufschwung, erklärte ROG.

Die 180 Staaten umfassende Rangliste wird von Norwegen, Schweden und den Niederlanden angeführt. Die letzten drei Länder sind wie schon im Vorjahr Turkmenistan, Eritrea und Nordkorea. Syrien bleibt für Journalisten das gefährlichste Land. 13 Journalisten seien dort 2017 im Zusammenhang mit ihrer Arbeit getötet worden, mehr als 20 weitere würden noch von bewaffneten Gruppen festgehalten.

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