Süddeutsche Zeitung

Früherer "Bild"-Chef:Julian Reichelt spricht

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Etwa sieben Wochen nach der Entlassung meldet er sich in einem Interview zu Wort. Die Vorwürfe des Machtmissbrauchs und der Lüge weist der frühere "Bild"-Chefredakteur zurück und offenbart, dass sein Selbstbewusstsein ungebrochen ist.

Sieben Wochen nach seiner Entlassung als Bild-Chefredakteur hat sich Julian Reichelt erstmals zu Wort gemeldet. Im Gespräch mit der Zeit äußert der 41-Jährige, der viereinhalb Jahre an der Spitze des Boulevardblattes stand, seine Enttäuschung über Mathias Döpfner, den Chef des Axel-Springer-Konzerns.

Er habe seinen Rauswurf nicht kommen sehen. "Ich war im Urlaub, stand am Autozug nach Sylt, als der Anruf von Mathias auf dem Handy kam. Nach zwanzig Jahren loyaler Arbeit, zehn davon in Kriegsgebieten, wurde ich in zwanzig Minuten am Telefon entsorgt."

Den Vorwurf des Machtmissbrauchs weist er in dem Interview zurück, eine Beziehung zu einer ehemaligen Mitarbeiterin räumt er ein. Er habe jedoch nichts zu verbergen und habe Döpfner und den Konzern nicht angelogen. "Deswegen hat es mich sehr überrascht, wie überrascht er gewesen sein will. Man hat mich unterm Strich wegen meiner Beziehung rausgeworfen", sagt Reichelt.

Anlass der Entlassung waren im Oktober mehrere Medienberichte. Die New York Times hatte einen Text über Reichelts fragwürdige Amtsführung veröffentlicht, zudem hatte ein Investigativ-Team bei der Ippen Mediengruppe monatelang für einen Text recherchiert, den Verlagsboss Dirk Ippen jedoch in letzter Minute verhinderte. Die Ergebnisse flossen dann zum Teil in einen Spiegel-Bericht ein.

Im Frühjahr dieses Jahres hatte der Springer-Konzern nach Beschwerden ein internes Verfahren gegen Reichelt angestoßen. Nach Angaben des Verlages standen im Kern der Untersuchung die Vorwürfe des Machtmissbrauchs im Zusammenhang mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen sowie Drogenkonsum am Arbeitsplatz. Der Konzern kam zum Schluss, dass Reichelt eine zweite Chance bekommen sollte. Nach den Veröffentlichungen im Oktober ließ der Konzern Reichelt jedoch fallen. In der Pressemitteilung hieß es damals: "Als Folge von Presserecherchen hatte das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen. Diesen Informationen ist das Unternehmen nachgegangen. Dabei hat der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat."

Nach seiner beruflichen Zukunft gefragt, sagt Reichelt, er wolle auf jedem Fall im Journalismus bleiben. "Wenn es keinen passenden gibt, hat man in einem freien Land ja die Möglichkeit, sich diesen Job selber zu schaffen. Ich liebe es, Millionen Menschen eine starke Stimme zu geben." Auf die Frage, wie er ohne Bild leben könne, wo die Zeitung doch sein ganzes Berufsleben geprägt habe, sagt der frühere Chefredakteur folgenden Satz: "Das ist falsch. Nicht Julian Reichelt ist Bild, sondern: Bild war Julian Reichelt. Was diese Marke dargestellt hat, basierte auf meiner Arbeit, meinen Gedanken."

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