Süddeutsche Zeitung

Rebel Wilson vs. Sydney Morning Herald:"Ich habe mehrere Quellen, die ihren Beziehungsstatus bestätigen"

Lesezeit: 3 min

Wie der australische "Sydney Morning Herald" die Schauspielerin Rebel Wilson zwang, über ihr Liebesleben auszupacken.

Von Christiane Lutz

Die eine Geschichte ist diese: Rebel Wilson gehört zum Besten, was Australien in den vergangenen Jahren auf Leinwände und in Streamingdienste gebracht hat. Die 42-jährige Schauspielerin ist cool, elegant, witzig.

Sie war 2011 in "Bridesmaids" zu sehen, einer Heiratshorror-Komödie, in "How to be Single" coachte sie eine verspannte New Yorker Frau im Singlesein und spielte in allen drei Teilen der Komödie "Pitch Perfect" um die A-cappella-Gruppe The Barden Bellas an einer US-amerikanischen Universität mit. Zwischen 2012 und 2017 war Wilson die "Fat Amy", die sich selbst "Fat Amy" nennt, damit die "spindeldürren Schlampen" es nicht hinter ihrem Rücken tun, wie sie sagt. Amy ist nicht ausschließlich schrill und quirlig, sondern von einer sehr ernsthaften Trockenheit, die sie umso komischer macht. Auch in der Komödie "Isn't It Romantic" von 2019 bedient Wilson das Stereotyp des lustigen dicken Mädchens, das zwar für seine Ratschläge gemocht, aber von potenziellen Sexualpartnern eher übersehen wird. Nach einem Überfall wacht Natalie alias Wilson plötzlich in einer Art Parallelwelt auf, in der sie hot und begehrenswert auf andere wirkt.

Das Beste an Wilson ist dabei: Sie schafft es sogar, dem Stereotyp des lustigen dicken Mädchens Würde und Tiefgründigkeit abzugewinnen, und natürlich sehr viel Witz. Als trickse sie das Klischee aus, was das Klischee zwar nicht besser, aber leichter erträglich macht.

Wilson wollte einem Outing durch die Zeitung offenbar zuvorkommen

Sonst datet Rebel Wilson gerade Frauen. Und damit beginnt die andere Geschichte: Wilson hat sich durch The Sydney Morning Herald, eine der führenden und nicht unter Boulevardverdacht stehenden australischen Tageszeitungen, zu einem Coming-out gedrängt gefühlt.

Die Geschichte lässt sich aus Tweets, Posts und Beiträgen auf der Webseite des Sydney Morning Herald wie folgt rekonstruieren: Am Freitag teilte Wilson ein Foto auf Instagram, das sie mit ihrer Freundin Ramona Agruma zeigte. Sie schrieb: "Ich dachte, ich suche den Disney-Prinzen, aber vielleicht ist das, was ich die ganze Zeit gebraucht habe, eine Disney-Prinzessin." Alles nicht ganz freiwillig, offenbar wollte sie einem Outing durch den Sydney Morning Herald zuvorkommen.

Kolumnist Andrew Hornery hatte geplant, in seiner wöchentlichen Samstagskolumne über die Schönen und Reichen über Wilsons neue Beziehung zu berichten. Wilson habe ja bereits viele Bilder mit Partnerin Agruma geteilt, schrieb er vergangene Woche in einer Mail an ihr Management, und auch wenn sie nichts offiziell gemacht habe, teilte er mit: "Ich habe mehrere Quellen, die ihren Beziehungsstatus bestätigen, und ich habe genug Details zur Veröffentlichung." Er wolle ihr die Gelegenheit geben, sich zur neuen Liebe zu äußern, und setzte ihr dafür eine Frist von knapp eineinhalb Tagen. Für ein von innen nach außen gestülptes Privatleben ist das extrem kurz. Die Nachricht blieb unbeantwortet, stattdessen postete Wilson ihre Prinzessin selbst.

Nun ist es ja so, dass Schauspieler auch von der Bühne profitieren, die ihnen Medien geben. Im Idealfall ist das ein halbwegs fairer Handel, Privatinformationen gegen Öffentlichkeit. Nur hier ist offensichtlich etwas schiefgelaufen.

In der Samstagskolumne, die inzwischen nicht mehr aufrufbar ist, drückte Hornery laut Medienberichten seinen Unmut darüber aus, als sei ihre Wahrheit seiner Recherche zuvorgekommen. Wilson kommentierte am Tag nach dieser Kolumne auf Twitter: "Es war eine sehr schwere Situation, ich versuche, sie mit Würde zu handhaben."

Der Chefredakteur entschuldigt sich, sei alles nicht böse gemeint gewesen

Während Chefredakteur Bevan Shields die Kolumne und die Recherche am Sonntag noch verteidigte - man habe nur Fragen gestellt und journalistischen Standards entsprechend eine Frist zu deren Beantwortung gesetzt -, ruderte die Zeitung Anfang der Woche nach heftiger Kritik zurück. Die Redaktion nahm die Kolumne offline und äußert nun Betroffenheit und Läuterung. Andrew Hornery wird zu diesem Zweck auch direkt persönlich: "Als schwuler Mann ist mir sehr wohl bewusst, wie schmerzhaft Diskriminierung ist." Er habe diesen Schmerz niemals in jemand anderem hervorrufen wollen, sondern angenommen, dass Wilson vielleicht "happy" sei, ihre neue Liebe mit ihm zu diskutieren. Eine Drohung sei die Frist nicht gewesen. Auch Chefredakteur Bevan Shields schrieb am Dienstag erneut an die Leser, der Herald sei ein "integratives Blatt und ein Verbündeter von LGBTIQ+-Lesern und Australiern", er erkenne den Fehler an, entschuldigt sich, man habe dazugelernt.

Auf der einen Seite zeigt die Geschichte, wie wenig Stars heute noch auf klassische Zeitungen angewiesen sind, wie sehr sie den Lauf der Erzählungen über sich selbst inzwischen selbst bestimmen können. Auf der anderen Seite ist es zwar eine Geschichte mit Prinzessin und Liebes-Happy-End, es ist aber auch eine Mediengeschichte, die keine Gewinner kennt. Eine zwangsgeoutete Schauspielerin, ein gescheiterter Redakteur, eine Zeitung im Kreuzfeuer.

Damit zurück zu Rebel Wilson, der Schauspielerin. Haben Sie schon "Senior Year" auf Netflix gesehen, in dem Wilson eine ins Koma gefallene Cheerleaderin spielt, die zwanzig Jahre nach der High School noch zur Prom-Queen gewählt werden will?

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