Süddeutsche Zeitung

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk:Gutachten: Wahl der RBB-Chefin war rechtswidrig

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Nach einem teils chaotischen Verfahren wurde Ulrike Demmer im Juni als Senderchefin bestellt. Ein Gutachten kommt zu dem Schluss: Die Wahl müsse wegen zu vieler Fehler wiederholt werden.

Neuer Wirbel um den RBB und die Wahl seiner Intendantin: Laut einem juristischem Gutachten waren die Auswahl der Kandidaten und das Wahlprocedere von schweren Mängeln durchzogen, wie der RBB selbst auf seiner Internetseite berichtet. Erstellt worden sei die Expertise im Auftrag der Personalvertretung; es geht um die Wahl Ulrike Demmers zur neuen Chefin der Rundfunkanstalt Mitte Juni.

Gefordert werde in dem Gutachten auch eine Neuwahl. Nur so könne man den "eingetretenen rechtswidrigen Zustand beheben", zitiert der RBB - zu schwerwiegend seien die formalen und inhaltlichen Fehler. Die Kritikpunkte des Gutachtens im Einzelnen, so wie sie der RBB referiert:

  • Die Mitbestimmungsrechte der Personalvertretungen bei der Berufung der neuen Intendantin seien unzulässig beschränkt worden.
  • Die Auswahl der Bewerberinnen und Bewerber sei unprofessionell und chaotisch gewesen, es habe keine Chancengleichheit gegeben.
  • Kritisiert werde auch, dass ein vierter Wahlgang abgehalten wurde. Im dritten Wahlgang hatte Demmer die notwendige Mehrheit verfehlt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt die einzige verbliebene Kandidatin gewesen war.
  • In der Verfassung sei die sogenannte Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festgeschrieben. Dies werde aber durch Demmers Wahl konterkariert, da sie von 2016 bis 2021 stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung war. Mit der Staatsferne ebenfalls unvereinbar sei, dass Dietmar Woidke, der Ministerpräsident von Brandenburg, vor der Wahl an den Verwaltungsrat einen Brief geschrieben habe. Dieses Gremium schließt den Arbeitsvertrag mit der Intendantin ab.

Aus alledem schließe der Gutachter, der Potsdamer Rechtsprofessor Marcus Schladebach, nicht nur, dass es eine Neuwahl geben müsse, berichtet der RBB. Auch müssten die Vorsitzenden von Rundfunkrat und Verwaltungsrat des RBB abberufen werden, da sie mit ihren Ämtern offensichtlich überfordert seien. Sabine Jauer, die Vorsitzende des RBB-Personalrats, teilte mit, es sei notwendig, dieses Findungsverfahren aufzuarbeiten, um daraus für die Zukunft die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Demmer wurde am 16. Juni gewählt - nach einer langen Sitzung und unter Protest vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ihr Amt hat sie erst am 1. September angetreten, als Nachfolgerin von Katrin Vernau. Diese wiederum hatte den Posten vor einem Jahr interimsweise als Krisenmanagerin übernommen nach dem Rücktritt von Senderchefin Patricia Schlesinger, gegen die Vorwürfe der Vorteilsnahme und Vetternwirtschaft laut geworden waren.

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