Süddeutsche Zeitung

Razzia bei australischem Sender:"Ich habe noch nie einen Angriff auf die Presse gesehen, der so brutal war"

Lesezeit: 2 min

Von Jacqueline Lang

Die Vorwürfe wiegen schwer: Offenbar haben australische Spezialeinheiten bei Einsätzen in Afghanistan zwischen 2009 und 2013 Unschuldige getötet. In hochvertraulichen Dokumenten wird davon berichtet, zugespielt wurden diese dem Sender ABC, der diese daraufhin 2017 öffentlich machte. Außerdem machte die News Corp-Journalistin Annika Smethurst vor etwas mehr als einem Jahr bekannt, dass es vonseiten der australischen Regierung offenbar Pläne gab, Bürger zu überwachen.

Und nun sind neue schwerwiegende Vorwürfe aufgetaucht, mit denen sich die australische Regierung des erst kürzlich wiedergewählten Premiers Scott Morrison konfrontiert sieht: Nachdem Beamte der Bundespolizei AFP am Dienstag und Mittwoch nicht nur in Smethursts Wohnung in Canberra, sondern auch in der Zentrale des öffentlich-rechtlichen Senders ABC in Sydney Razzien durchgeführt haben, steht der Vorwurf eines Angriffs auf die Pressefreiheit im Raum.

"Ich habe noch nie einen Angriff auf die Presse gesehen, der so brutal war", sagte John Lyons am Mittwoch in einem Interview. Es sei ein "schlimmer, trauriger und gefährlicher Tag für ein Land, in dem wir die Pressefreiheit so lange geachtet und für selbstverständlich genommen haben", so Lyons. Er ist Chefredakteur von ABC News, Leiter des Investigativressorts und dokumentierte die Vorfälle am Mittwoch live auf Twitter. Seinen Angaben zufolge haben sechs Beamte insgesamt neun Stunden lang E-Mails und Dokumente nach den 2017 geleakten Unterlagen und deren Quelle durchsucht. Lyons schätzte, dass die Beamten mehr als 50 Dokumente mitgenommen haben.

Der Durchsuchungsbefehl, so Lyons, erlaube es den Beamten, Dokumente "hinzuzufügen, zu kopieren, zu löschen und zu verändern". In Smethursts Privatwohnung hatten Beamte ebenfalls sieben Stunden alles genauestens durchsucht. "Ist das die neue Normalität?", fragte Lyons auf Twitter ungläubig.

Premier Morrison von der konservativen Liberal Party, der sich zum Zeitpunkt der Vorfälle in London aufhielt, sagte auf Nachfrage des Guardian: "Mich beunruhigt es nie, wenn unsere Gesetze eingehalten werden." Gleichzeitig distanzierte er sich von der Razzia, indem er klarmachte, solche Einsätze seien nicht Aufgabe der Regierung, sondern der Bundespolizei. Die Zeitung The Australian berichtet, es seien ursprünglich noch weitere Durchsuchungen für Ende der Woche geplant gewesen, aufgrund der Proteste in den sozialen Medien seien diese aber bis auf Weiteres ausgesetzt worden.

Die Bundespolizei teilte in einem Statement mit, dass der Innenminister nicht vorab über die Durchsuchungen informiert worden sei. Sie erklärte weiter, dass es keinen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen gebe. In beiden sei jedoch möglicherweise "Australiens Staatssicherheit gefährdet" worden. Aus Sicht der Journalisten besteht jedoch ein öffentliches Interesse und damit die Pflicht, darüber zu berichten.

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Quelle:
SZ vom 08.06.2019
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