Süddeutsche Zeitung

Pöbeleien gegen Claudia Neumann:Wir sind noch nicht so weit, wie ihr glauben wollt

Eine Sportreporterin wird im Netz beschimpft, weil sie ihre Arbeit macht. Damit zeigen die Pöbler, wie es um die Geschlechterdebatte in Deutschland steht.

Kommentar von Katharina Riehl

Claudia Neumann, die Sportreporterin, hat am vergangenen Freitag ein EM-Spiel kommentiert. So einfach ist der Sachverhalt, aus dem sich in den Stunden und Tagen danach eine gruselige Debatte entwickelte. Denn festzuhalten ist ja vor allem, was Claudia Neumann nicht getan hat: Der ZDF-Journalistin, die seit mehr als 20 Jahren über Fußball berichtet, sind während ihres Kommentars zum Spiel Italien gegen Schweden nicht mehr Fehler unterlaufen, als das in Live-Situationen üblich ist.

Und sie hat den ersten Auftritt einer Frau als EM-Kommentatorin nie zur feministischen Aktion erklärt. Trotzdem ist sie im Netz auf das Übelste beschimpft worden.

Vor einigen Wochen hatte der Guardian öffentlich gemacht, welche Autoren mit besonders viel Hass im Internet zu kämpfen haben - Anführerin dieser traurigen Hitliste war eine Frau, die engagiert über feministische Themen schreibt. Das ist bemerkenswert genug. Claudia Neumann aber hat am Freitag nur ihre Arbeit gemacht, ganz ohne politische Botschaft.

Die unfassbar feindseligen Kommentare, die das ZDF sogar zu einer öffentlichen Reaktion zwangen, lassen den Stand der Geschlechterdebatte in einem ziemlich trüben Licht erscheinen. Natürlich, die Pöbler sind immer nur eine Minderheit, die dank Facebook und Twitter sehr laut schreien kann. Ihre Botschaft aber war eindeutig: Wir sind noch nicht so weit, wie ihr gerne glauben wollt.

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Quelle:
SZ vom 20.06.2016
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