Süddeutsche Zeitung

Gruner+Jahr:"Es geht am Ende ums Handwerk"

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Beim Nannen-Preis fallen alle Grenzen: Bewerben dürfen sich jetzt auch Blogger. Und es gibt neue Genres.

Von Peter Burghardt

Es gab ja Zeiten, da wurde der Journalismus so richtig gefeiert, sogar in einem echten Raum. Um den Preis der Preise für Journalisten zu verleihen, den Nannen-Preis, lud Gruner+Jahr auch mal in das Hamburger Schauspielhaus oder in die Elbphilharmonie. Später kehrte der Verlag zur etwas bescheideneren Variante am Baumwall zurück, 2020 wurde dann wegen Corona virtuell geehrt. Immerhin, 12 000 Zuschauer zählten die Veranstalter im Netz.

Vor den Sommerferien werden die nächsten Trophäen im Namen des früheren Stern-Chefredakteurs und Verlegers Henri Nannen vergeben, wieder online, im Februar darf eingereicht werden. Diesmal ist es "der neue Nannen-Preis", wie Gruner + Jahr berichtet, "die erste Auszeichnung für Journalist*innen aller deutschsprachigen Medien", für alle Arten und Formate.

Der von allen Reportern verehrte Kisch-Preis bleibt der Hauptgewinn für die beste geschriebene Reportage. Ansonsten darf nun jeder mitmachen, die Beiträge können gedruckt oder gesprochen, in Bild oder Ton, in traditionellen Medien oder digitalen Plattformen in die Welt gelangt sein. "Auch Nicht-Journalist*innen haben die Chance auf die Auszeichnung, wenn sie die Öffentlichkeit in journalistisch herausragender Weise informieren", heißt es. Den umgebauten Nannen-Preis pflegt ein Beirat aus Medienleuten, sein Sprecher ist Christoph Kucklick, der Leiter der Nannen-Schule.

Im vergangenen Jahr wurde schon Rezos CDU-Verriss ausgezeichnet

Über Shortlist, Nominierte und Sieger von Kisch-Preis, Investigation und Lokales entscheiden eigene Jurys. Und dann sind da nun zwei neue Kategorien, sie heißen "Geschichte des Jahres" und "Republik". Die "Geschichte des Jahres" soll die journalistische Glanztat sein, in welcher Form auch immer, gekürt vom Nannen-Beirat. "Republik" belohnt "die hartnäckige faktenbasierte, dauerhafte Aufklärung", wie es Kucklick nennt. Die Aufklärung darf auch von Menschen jenseits der Branche stammen, zum Beispiel Wissenschaftlern.

Im vergangenen Jahr hatte sich die Nannen-Jury bereits erlaubt, Rezos CDU-Verriss auszuzeichnen. Jetzt reicht die Ausschreibung noch weiter. "Wie wäre es, wenn man den Nannen-Preis hinausführen würde in die große weite Welt des Journalismus, in die Welt aller Gattungen - Fernsehen, Radio, digital und natürlich auch Print?", sagt Stern-Chefredakteur Florian Gless. "Wenn wir alle Genres unter ein Dach bekommen und damit den Journalismus in toto zum Thema machen und feiern? Diese Idee fanden wir ziemlich toll."

Multimedial ist also fortan auch der gute alte und jetzt neue Nannen-Preis. "Näher an Redaktionen und am Publikum" sei man damit, sagt Kucklick. "Das ist nicht die Abkehr von Print" und auch "kein Abgesang auf den Journalismus, ganz im Gegenteil: Wir wollen zum Ausdruck bringen, wie wichtig Journalismus für die Gesellschaft ist." USA, Pandemie, es gibt viel zu erklären. Gless sagt, es sei ihnen klar, "dass wir mit Ausnahme des Kisch-Preises da auch Äpfel mit Birnen vergleichen werden", wenn zum Beispiel ein Zeit-Dossier und eine Arte-Doku zu beurteilen sind. "Da werden wir diskutieren müssen. Es geht am Ende um Handwerk. Versteht der Empfänger alles, kommt die Botschaft rüber, ist das sauber recherchiert?" Fragen über Fragen. "Was verstehen wir eigentlich unter Journalismus?", sagt Gless. "Diese Diskussion wollen wir auslösen."

Beim Stern fragen sich Redakteurinnen und Redakteure bereits, was ihr Arbeitgeber unter Journalismus versteht, allerdings aus anderen Gründen. Größere Teile der Redaktion im Home-Office sind entsetzt davon, dass das Ressort Politik und Wirtschaft in Hamburg aufgelöst und mit dem Parlamentsbüro und Capital in Berlin fusioniert werden soll. Gless findet den Gedanken, "die journalistischen Marken Capital und Stern zusammenzuführen, naheliegend", wie er sagt. Ums Sparen gehe es nicht. "Die Idee war eher: Wie bekommen wir in Berlin ein noch stärkeres Hauptstadtbüro zum Laufen?" Die Belegschaft findet die Idee geradezu verheerend, es geht um Inhalt und Jobs.

Ums Geld gehe es auch beim neuen Nannen-Preis nicht, versichert Christoph Kucklick. "Das ist aufwendiger als vorher. Wir versuchen jetzt die Schnittmenge zu finden aus höchster Qualität und Aufmerksamkeit." Irgendwann, in anderen Zeiten, gibt's dann vielleicht auch wieder ein Fest.

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