Süddeutsche Zeitung

Maybrit Illner:Tür auf, Tür zu

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Die Politiker in der Talkrunde sind sich nicht einig darüber, was die beste Strategie gegen die Omikron-Welle ist. Einig ist man sich nur darin, alle Kästchen des Phrasen-Bingos abzuarbeiten.

Von Kathrin Müller-Lancé

Als Ranga Yogeshwar nach 53 Minuten sagt, dass man "in gewisser Weise auch global dafür sorgen" müsse, "dass wir andere mitnehmen", sind beim imaginären Corona-Talk-Bingo schon wieder fast alle Kästchen angekreuzt. Weltweite Tragweite der Pandemie: Check. Kritik an mangelnder Digitalisierung und ächzenden Gesundheitsämtern: Check. Rhetorisches Rumhüpfen um die Impfplicht: Check.

"Sie sind es, wir sind es", begrüßt Maybrit Illner die Zuschauerinnen und Zuschauer am Anfang der Sendung, und es klingt nach irgendetwas zwischen vertrauter Verabredung und Selbstvergewisserung. Das Thema an diesem Donnerstagabend: "Welle oder Wende - ändert Omikron die Corona-Politik?"

Es ist ja tatsächlich nicht so einfach: Die neue Variante peitscht einerseits die Infektionszahlen nach oben, soll andererseits aber mildere Verläufe verursachen als ihre Vorgängerinnen. Der Virologe Christian Drosten sprach in seinem Podcast kürzlich sogar davon, dass man dem Virus an einigen Stellen die Tür öffnen müsse.

Aber Obacht, macht seine Kollegin Melanie Brinkmann gleich mal klar, "das Wort mild, das suggeriert irgendwie, das ist etwas Positives, wie bei milden Temperaturen. Aber es ist immer noch ein Virus, was sehr schwer krank machen kann." Die Virologin würde die Tür deshalb lieber "nur ganz langsam öffnen".

Schwesig antwortet im feinsten Ich-bin-nicht-wütend-aber-enttäuscht-Ton

Wenn man bei diesem Bild bleiben möchte, zielt die deutsche Politik, in der Runde vertreten durch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU), indes eher darauf ab, das Virus durch stetes Tür-auf-und-zu-Schlagen zu verwirren. Die 2-G-plus-Regel für die Gastronomie, in der vergangenen Woche von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen, gilt bekanntlich in Bayern erst einmal nicht. "Ich schließe nicht aus, dass das kommt", sagt Holetschek, "aber wir nehmen uns jetzt mal die Zeit, das auszubalancieren und abzuwägen, und dann werden wir die richtigen Entscheidungen treffen."

Schwesig entgegnet in feinstem Ich-bin-nicht-wütend-aber-enttäuscht-Ton: "Bayern muss das jetzt selber für sich entscheiden. Wir haben uns zu einer gemeinsamen Ministerpräsidentenkonferenz getroffen und gesagt, wir wollen gemeinsame Beschlüsse fassen [...]. Ich staune, dass Bayern das macht."

Einig ist sich die Runde darüber, dass das mit den verlässlichen Zahlen in Deutschland besser werden muss. Stichwort Gesundheitsämter. "Man versucht seit 2003, das Gesundheitssystem in eine elektronische Form zu bringen", sagt Brinkmann. "Das muss jetzt dringend passieren. Wenn ich in zwei Jahren hier noch sitze in der nächsten Pandemie, und wir reden wieder drüber, dann weiß ich auch nicht mehr, was ich sagen soll."

Bleiben zum Schluss noch ein paar Pflichtthemen, Präsenzunterricht, mangelnde Testkapazitäten, und natürlich die Impfpflicht. Schwesig verteidigt ihre Parteikollegen Scholz und Lauterbach, hält es für "sehr klug", die Debatte um eine Impfpflicht in den Bundestag zu verfrachten und verspricht sich davon eine "Sternstunde des Parlaments". Holetschek hingegen findet, es sei Aufgabe der Regierung, einen Gesetzentwurf einzubringen. Da müsse der Kanzler jetzt liefern. "Das muss man sagen, wenn man Opposition sein möchte", kommentiert Illner. Check.

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