Süddeutsche Zeitung

Medienkolumne "Abspann":Ein allerletzter Gruß

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Linda Zervakis' Abschied von der "Tagesschau" fällt unerwartet prosaisch aus. Unerreicht im letzten Moment ihrer Moderation bleibt damit eine andere.

Von Holger Gertz

Die letzten Sendungen von Tagesschau-Sprechern bieten diese kleinen Sensationen, auf die das Publikum sonst oft vergeblich wartet. Was wird er, was wird sie als allerletzten Gruß den Leuten da draußen mitgeben? Die Bandbreite reicht von Karl-Heinz Köpcke, dem alten News-König im gern blassblauen Anzug, der seinen eigenen Abschied 1987 in seiner allerletzten Sendung ankündigte, trocken wie Staub in der Sahara: "Nun noch eine Personalie. Sie betrifft die Tagesschau und ist von morgen an wirksam." Bis zum Adieu des vielgeliebten Jan Hofer 2020, der sich seine Krawatte vom Hals band, ein Hinweis auf sein zweites Fernsehleben im Privaten, wo ein Schlips nicht zwingend nötig ist.

Dann segelte doch noch ein Blumenstrauß ins Bild. Und Ouzo

Linda Zervakis, seit acht Jahren in der heiligen Ausgabe um 20 Uhr, war ein Gesicht dieser Sendung, eine souveräne Sprecherin, daneben auch Podcasterin und originelle Autorin, das unterscheidet sie vom alten Köpcke, der sich mit einem selbstgefälligen Roman unter die Leute gewagt hatte, derart schwülstig, dass der Spiegel "Köpckes phantasmagorische Hormonfontäne" über die Rezension schrieb. Ganz anders die Reaktionen auf Zervakis' Buch "Königin der Bunten Tüte", in dem sie von ihrer Jugend erzählt und vom Kiosk der griechischen Familie Zervakis in Hamburg-Harburg. Wer das liest, spürt ihr Talent für Ironie und Selbstironie und also auch eine Eignung für Formate jenseits der Tagesschau, weshalb sich das allgemeine Interesse an ihrer persönlichen Abschiedsformel im Laufe des Tages durchaus steigerte. Was wird sie denn nun veranstalten am Schluss der letzten Sendung?

Aber dann bestand der Abschiedsgruß vor allem in einer modischen Feinheit. In der allerersten Tagesschau trug sie rotes Jackett zum schwarzen Shirt, wie diesmal. Und sagte am Ende dann nur "Machen Sie es gut und bleiben Sie gesund" - eine eher prosaische Verneigung, von der die Gemeinde ein wenig enttäuscht gewesen sein mag. Nicht mal ein Blumenstrauß segelte ins Bild - erst in den Tagesthemen lieferte Ingo Zamperoni den nach und bekam im Austausch einen Ouzo.

Unerreicht bleibt dennoch Dagmar Berghoff, die den allerletzten Dienst allerdings auch auf den allerletzten Tag des vergangenen Jahrtausends gelegt hatte, Silvester 1999. Sie kämpfte mit den Tränen. Die Band Erdmöbel hat das Ganze später schön verdichtet im Song "Es war helllichte Nacht, und das Ende der Geschichte". Für Dagmar Berghoff war's das wirklich damals, sie ging zu früh in Ruhestand. Bei Linda Zervakis, zu welchem Sender auch immer es sie nun zieht, ist derweil noch länger helllichte Nacht, und kein Ende der Geschichte.

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