Süddeutsche Zeitung

"Liaison" auf Apple TV +:Falsch verbunden

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Polit-Thriller im Schatten des Brexit: Vincent Cassel und Eva Green in der Agentenserie "Liaison" auf Apple TV+.

Von Susan Vahabzadeh

In Agentenserien muss man vorsichtig sein, an wen man sein Herz hängt - die Dichte an Verrätern ist höher als anderswo, und selbst eine treue Seele, die nur unser aller Bestes will, wird auf dem Weg dorthin oft Dinge tun, für die es wenig Sympathiepunkte gibt. Solche Rollen wollen weise besetzt sein. Bei Gabriel Delage in Liaison weiß man anfangs nicht so recht, was er da eigentlich treibt und für wen: Ist er Doppelagent, Söldner, in eigener Sache unterwegs? Er hat mit Terrorismus zu tun, aber ist er jetzt dafür oder dagegen? Für diese Rolle ist Vincent Cassel ein echter Glücksfall, denn was immer er tut: Man will ihm dabei zuschauen und ist bereit, jederzeit zu glauben, dass der nächste Winkelzug der Handlung offenbaren wird, was ihn antreibt. Vincent Cassel kann sich in jede denkbare Figur verwandeln - aber kalt oder gar kaltherzig hat er nicht im Repertoire.

Apple veröffentlicht die sechs Folgen der ersten Staffel von Liaison jeweils freitags, Regie führt Stephen Hopkins, der die Anfänge der Agentenserie 24 inszeniert hat, geschrieben hat sie die französische Kriminalautorin Virginie Brac, von der auch die Drehbücher der Serie Engrenages - Im Fadenkreuz der Justiz stammen. Es ist das erste europäische Projekt des Streamingdienstes, und wenn die Serie einen französischen Fokus hat, dann vielleicht deswegen, weil die von der EU vorgesehene Quote einheimischer Produktionen in Frankreich tatsächlich durchgesetzt wird.

Gabriel ist Alisons Verbindungsmann, ihre Liaison, auch im wörtlichen Sinn

Liaison ist ein Polit-Thriller im Schatten des Brexit. Alles beginnt mit Cyberattacken in Großbritannien, die eine Überflutung auslösen, ein weiterer Angriff richtet sich gegen das Kontrollsystem eines Zugs. Alison Rowdy (Eva Green) arbeitet für einen Minister, ein Abkommen mit Brüssel, das helfen könnte, ist nicht zustande gekommen, Brexit ist eben Brexit. Aber Alison hat einen alten Weggefährten, der vielleicht helfen kann, weil er Verbindungen zur französischen Regierung hat: Gabriel Delage, gespielt von Cassel. Die beiden haben eine düstere und eine romantische gemeinsame Vergangenheit. Er ist ihre Liaison, ihr Verbindungsmann in jedem Sinne des Wortes. Gabriel hat Kontakt zu zwei Hackern - junge Syrer, die in eine Sache hineingeraten sind, die ihnen gehörige Angst eingejagt hat.

Der Plot von Liaison ist spannend, gegenwärtig, manchmal furchteinflößend und an manchen Stellen wirklich bewegend. Aber die Serie könnte ein wenig zugänglicher sein. Weder bei Alison noch bei Gabriel weiß man so recht, was genau eigentlich in ihrer Jobbeschreibung steht. Aber das steht im Dienst der Geschichte, die hier erzählt wird: Großbritannien, Frankreich, Europa, einzelne Minister - sie alle haben sich auf Kooperationen und Verbindlichkeiten eingelassen, die nicht so recht mit dem eigenen Sicherheitsinteresse in Einklang zu bringen sind. Fast wie im richtigen Leben. Für Freunde des Originaltons wird sich Liaison jedenfalls als Herausforderung erweisen - es geht ziemlich wild zwischen Englisch, Französisch und Arabisch hin und her, und der englische Teil ist dann auch noch ein Mischmasch aus diversen Akzenten. So viel Sinn für Babylonismus, wie ihm hier unterstellt wird, hat der Durchschnittseuropäer gar nicht, höchstens Vincent Cassel - aber der ist ja auch kein durchschnittlicher Typ.

Liaison, sechs Folgen, ab 24. Februar immer freitags bei Apple TV+.

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