Süddeutsche Zeitung

Kampf um den Eurovision Song Contest:Dusseldorf? Düsseldorf? Wo singt Lena?

Lesezeit: 4 min

Düsseldorf, Hamburg, Hannover oder doch Berlin: Das Buhlen der Städte um den Eurovision Song Contest nimmt mittlerweile groteske Züge an. Es geht schließlich auch um viel Geld.

Hans Hoff

Morgen, Kinder, wird's was geben. Oder übermorgen. Oder vielleicht doch erst nächste Woche? Das Spiel, das derzeit in den um den Eurovision Song Contest (ESC) buhlenden Städten im Gange ist, fühlt sich ein bisschen so an, als versuche man die weihnachtliche Bescherung als variablen Termin zu handhaben. Immer wieder kommt einer und sagt: Morgen ist es so weit, und wenn es dann so weit ist, wird doch wieder nur weiteres Warten geboten.

Beim NDR, der den ESC für die ARD verwaltet, übt man sich derweil im Gebetsmühlendrehen und sagt immer wieder das Gleiche, dass solch eine Entscheidung eben Zeit brauche und dass man sich die auch nehmen werde. Nicht einmal die Frage, wann genau denn nun die hoffnungsvoll gestimmten Städte mit einer Bescherung rechnen können, wird beantwortet.

Vier Städte buhlen um den ESC, wollen am 14. Mai 2011 Lena in ihren Mauern beherbergen, wollen sie singen hören, wollen erleben, wie sie ihren in Oslo errungenen Sieg verteidigen wird. Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Hannover haben sich beworben und hoffen auf einen geschätzten Werbewert der Veranstaltung von weit mehr als 100 Millionen Euro.

Schon zweimal bekamen sie Besuch vom NDR. Die vom Sender entsandten Showfachleute hatten vielerlei zu prüfen, denn es geht nicht einfach nur um einen schillernden Abend, an dem sich 24 europäische Länder an der Qualität ihrer Gesangskunst messen lassen wollen, es geht um nicht viel weniger als die Installation einer riesigen Showblase, die den Ort der Veranstaltung für eine kurze Zeit in eine große kontinentale Umlaufbahn katapultiert.

Für so etwas müssen die Bewerber ihre Hallen nicht nur ein paar Tage, sondern gleich ganze sechs Wochen freihalten. So lange brauchen die Vorbereitungen für zwei Vorrunden-Shows und das Finale. Viele Dinge sind dabei in Betracht zu ziehen, viele Fragen zu beantworten. Wie groß ist die Halle? Was kann man an Ausrüstung unter die Decke hängen, ohne einen Einsturz zu riskieren? Sind die Umbauten zwischen den einzelnen Auftritten in weniger als einer Minute zu stemmen? Was passiert, wenn drei Künstler hintereinander mit Feuerwerk arbeiten wollen? Kann dann der Rauch schnell genug abziehen? Sind genügend Hotelzimmer für die Künstler, für den sie begleitenden Tross und vor allem für die anreisenden Zuschauer vorhanden?

Beim NDR freut man sich auf jeden Fall über die Aufmerksamkeit für einen Wettbewerb, der in den Zeiten vor Lena als Auslaufmodell galt. Mit Erstaunen beobachtet man hier die öffentlichen Aktivitäten in den einzelnen Städten und schüttelt nicht selten den Kopf über das, was vermeldet wird. Es ist die große Stunde der Insider und Experten, der "seriösen Quellen" und der Kreise, aus denen man etwas vernommen hat.

So vermeldeten Düsseldorfer Zeitungen bereits Mitte vergangener Woche, dass in Kürze eine Entscheidung öffentlich werde und dass diese auf jeden Fall die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt als Sieger vorsehe. Beflügelt wurde das Gerücht von der Tatsache, dass die Deutsche Fußball Liga dem örtlichen Fußballverein erlaubt hat, im Mai für drei Spiele aus der Arena auszuziehen. "Grünes Licht für Lena" hieß es reflexartig. Doch was geschah? Nichts.

Mit Lust spekuliert man sich an der Düssel besoffen. Die bis zu 30 Millionen Euro, die angeblich von der Ausrichterstadt in das Ereignis gepumpt werden müssten, werden von den Lokalblättern gerne kolportiert. Sie sind aber ebenso wenig zu belegen wie das Gerücht, durch den zu erwartenden Medienwirbel würden Millionen Euro für Tourismusanzeigen gespart. Selbst vor wilden Verschwörungstheorien schreckt man nicht zurück.

Wenn etwa der Oberbürgermeister von der Konkurrenz spricht, die "dabei war", wird die Vergangenheitsform sofort als geheimes Signal verstanden, dass Bewerber aus dem Rennen sind. Selbst dem dicken Elton aus Stefan Raabs Shows wird Insiderwissen zugetraut. Beim Bundesvision Song Contest (BSC) redete er mit dem späteren Sieger, der NRW-Band Unheilig, und merkte an, dass neben dem BSC nun auch der ESC ins Rheinland komme.

"Elton verrät das Grand-Prix-Geheimnis" wurde umgehend getitelt. Dass da Plapperei im Spiel war und manchmal auch der Wunsch der Vater des Gedankens sein könnte, darauf kommt in Düsseldorf niemand. Vergleichsweise still ist es dagegen in Hannover. Dort rechnet man sich offenbar eher geringe Chancen aus. Zwar ist man Heimatstadt von Lena, und auch Bundespräsident Christian Wulff nähme als Lena-Fan den ESC gerne an die Leine, aber gegen das Düsseldorfer Selbstbewusstsein lässt sich mit niedersächsischer Zurückhaltung schwer punkten.

Auch in Hamburg guckt man ein bisschen bedröppelt drein. Dort vermeldete die örtliche Presse bereits, dass man, obwohl doch Standort des ausrichtenden NDR, aus dem Rennen sei, weil nun Berlin vorne liege. Dort habe man mit etwas Extrageld gewunken und so die Chancen verbessert. So etwas wird beim NDR empört zurückgewiesen. Man zahle ordentlich Miete für die Hallen und habe nicht gepokert, beteuert man dort. Man sei doch nicht blöd und setze sich dem Vorwurf aus, für den ESC fremde Gelder einzusetzen. Das schaffe die ARD als Senderverbund schon alleine. Wie viel der ESC den Senderverbund genau kosten wird, dürfte geheim bleiben. Im teuren Norwegen erreichten die Kosten auf jeden Fall die 25-Millionen-Euro-Marke.

Bleibt Berlin, wo man den stillgelegten Flughafen Tempelhof als Veranstaltungsgelände andient. Die Frage, ob der ESC hier landen kann, wird auch in der Hauptstadt gerne verbunden mit allerlei Kuriosem. So wird der Umstand in die Waage geworfen, dass Lena von einem Boulevardblatt kürzlich beim Knutschen in Berlin "abgeschossen" wurde.

Und dann ist da ja noch die Sache mit dem Umlaut, die zu Bedenken gegen den Konkurrenten aus dem Westen führt. Man könne doch keinen internationalen Wettbewerb aus einer Stadt übertragen, die den meisten Menschen unaussprechlich bleibe, weil sie das mit dem "ü" nicht über die Lippen bekommen. In der Tat könnte es unfreiwillige Belustigung auslösen, wenn aus dem einen oder anderen Land vor der Punktevergabe die Begrüßung erklingt: "Hallo Dusseldorf."

Doch noch ist nichts gewiss, noch lässt sich der NDR Zeit mit der Veröffentlichung seiner Entscheidung. Sicher ist derzeit nur: Weihnachten kommt. Irgendwann.

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Quelle:
SZ vom 11.10.2010
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