Süddeutsche Zeitung

Insolvenz der Nachrichtenagentur dapd:Der Zauber ist vorbei

Groß ist die Sehnsucht nach Geschäftsleuten, die Gutes tun. Die Branche sucht nach Helden, die in Pressefreiheit investieren. Die Eigner der Nachrichtenagentur dapd sprachen gerne von gesellschaftlicher Verantwortung. Es klang fast zu gut.

Claudia Tieschky

Die Nachrichtenagentur dapd hat am Dienstag Insolvenz angemeldet - eine Unternehmens-Notiz, mehr ist das nicht für die meisten Leute. Aber es geht um viel mehr. Die dapd-Story ist eine Geschichte vom Finanzkapitalismus, eine Geschichte dieser Zeit. Sie handelt von der Hoffnung, dass es noch reiche Unternehmer gibt, die Journalismus finanzieren, auch wenn die Rendite nicht stimmt.

Die dapd-Eigner Peter Löw und Martin Vorderwülbecke sind knallharte Finanzinvestoren. Mit An- und Verkauf sind sie reich geworden, dapd betrieben sie, obwohl sie ein Zuschussgeschäft war. Stets blieb der Verdacht, dass beides nicht zusammenpasst. Aber die Branche sucht so dringend nach Helden, nach Geldgebern, die in Pressefreiheit investieren, also in das demokratische System.

Die beiden bekennenden Katholiken sprachen so gern von gesellschaftlicher Verantwortung, mit der sie als Nachrichten-Mäzene auftraten. Es klang fast zu gut. Aber warum nicht? In den USA hat der Finanzinvestor Warren Buffett zuletzt 63 Regionalzeitungen erworben - er wurde dafür ähnlich gefeiert wie für seinen Vorschlag, Reiche wie er sollten mehr Steuern zahlen.

Je mehr der Finanzkapitalismus in die Krise kommt, desto größer wird die Sehnsucht der Öffentlichkeit nach Geschäftsleuten, die Gutes tun. Nun beschlossen diese doch sehr schnell, den Geldhahn zuzudrehen. Der Zauber ist vorbei.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2012
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