Süddeutsche Zeitung

Hörfunk:Jetzt geht's rund

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"Ja, Mensch, der Thommy is back": Thomas Gottschalk hat wieder eine eigene Radio-Sendung, in der er vor allem seinen Ruf als größte Ich-AG Deutschlands pflegt.

Von Hans Hoff

Früher erzählte auf Familienfeiern Opa vom Krieg. Heute kommt Thomas Gottschalk und erzählt von den Sechzigern, als ihn irgendeine Sheila sitzen gelassen hat, und er Trost bei einem Song von Status Quo fand. Ja, das Früher, das ist sein Ding, jetzt, wo er einmal im Monat drei Stunden bei Bayern 1 am Mikrofon stehen und alles spielen und sagen darf, was er will.

Das mit dem Dürfen ist ein bisschen sein Problem beim Radio-Comeback. Er darf alles. Es gibt keine Grenzen mehr. Sogar die halbstündlich heruntergenudelte Behauptung vom Bayern-Wetter, das auf Bayern 1 "kompakt und zuverlässig" sein soll, darf er zerlegen. "Auf die Gefahr hin, dass ich rausfliege: Ich bezweifle, dass Wetter kompakt und zuverlässig sein kann", sagt er und weiß, dass er natürlich nicht rausfliegen wird, dass sich wegen seiner Klugscheißerei aber auch nichts ändern wird an den Massenradio-Manierismen.

Macht er halt das Beste draus und spielt viele Hits von Menschen mit schlechten Frisuren, von Toten und eben von Status Quo, was mehrfach aufs Gleiche rauskommt. Und natürlich gedenkt er angesichts der vielen verstorbenen Größen von 2016 vor allem der eigenen Endlichkeit. "Ich bin einer der wenigen Prominenten, die 2016 überlebt haben", sagt er und bestätigt in den drei Stunden vor allem seinen Ruf als größte Ich-AG Deutschlands.

Im Gegenzug liefert er aber auch schöne Geschichten. Als er einen Song von Leonard Cohen spielt, zitiert er eine frühe Erkenntnis ("Mädchen, die Cohen hörten, haben viel nachgedacht") und skizziert gleich auch die Folgen. "Wer viel nachgedacht hat, hat sich mit mir nicht eingelassen." Und dann sagt er noch, dass er sich künftig nicht mehr rechtfertigen wolle, um sich direkt danach erneut zu rechtfertigen.

"Ich habe ja zu einer Zeit Radio gemacht, da durfte man gar nichts", sagt er, als er in der dritten Stunde den Schauspieler Axel Milberg begrüßt. Gemeinsam trauern sie jenen wilden Zeiten nach, als man noch Frank Zappas "Bobby Brown" auflegen konnte, weil keiner kapierte, wie versaut der Text war. Und dann spielen sie "Bobby Brown". Uijuijui.

Gottschalk bei Bayern 1, das sind drei Stunden Musik für Lederhosenträger auf dicken Harleys, für Menschen jenseits der 50. Für die pendelt das höchst unterhaltsam zwischen Melancholie und Altersstarrsinn. Und wenn Gottschalk ausnahmsweise nicht klagt, klingt er wie der Sprecher auf der Kirmes. "Ja, Mensch, der Thommy is back, und es geht rund", sagt er. Das ist schön zu hören, weil es die Hoffnung nährt, dass das Radio einmal im Monat für drei Stunden wieder so gut werden könnte, wie es niemals war.

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Quelle:
SZ vom 10.01.2017
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