Süddeutsche Zeitung

RTL-Doku zur Bundeswehr:Letzter Bulle im Eurofighter

Lesezeit: 2 min

Der ehemalige Zivildienstleistende und "König von Mallorca" Henning Baum besucht die Bundeswehr für eine RTL-Doku. Klingt komisch, ist aber toll.

Von Julia Brader

Schnelle Gitarrenriffs, ein Motorrad jagt einem startenden Kampfjet hinterher. Der Fahrer (ohne Helm!) trägt Fliegerbrille, seine blonden Haare wehen im Wind, "Highway to the Danger Zone". Schwere Maschinen, Geschwindigkeit und natürlich auch ein Militärklischee. Genau wie bei Top Gun, doch das hier ist nicht Tom Cruise, das ist sein deutscher Kollege Henning Baum in einer Doku für den Privatsender RTL. Der schickt den ehemaligen "Letzten Bullen" und "König von Palma" zur Primetime für eine Art Realitätscheck los: Henning Baum, der ehemalige Zivildienstleistende, soll den wahren Alltag eines Bundeswehrsoldaten kennenlernen.

Für Top Gun bekam Produzent Jerry Bruckheimer in den Achtzigern beachtliche Unterstützung vom US-Militär. Für die Doku "Einsatz für Henning Baum - Was es jetzt heißt, Bundeswehrsoldat zu sein" schließt auch die Bundeswehr die Hangars der Eurofighter auf.

Bevor es aber in den Flieger geht, muss der Schauspieler unter Kamerabegleitung im pfälzischen Germersheim eine Grundausbildung absolvieren, dann erst beginnt ein spezielles Training für Piloten. Im Schwimmbad übt er dafür etwa, wie man einen Schleudersitz auslöst und im Wasser landet. Zudem darf er sich im Wald mit Tarnfarben einreiben, und am Schießstand trifft der versierte Sportschütze zur Freude der Ausbilder besser als gedacht. Aber auch der trainierte Baum kommt mitunter an Grenzen: zum Beispiel in der Zentrifuge, die wie eine große Schleuder die Kräfte nachstellt, die bei mehr als 2000 Kilometern pro Stunde auf den Pilotenkörper wirken. Actionreiche Sequenzen zum Warmwerden, schließlich sind wir hier bei RTL.

Auch ernsten Fragen geht Henning Baum nach: Was heißt es, (jetzt) Bundeswehrsoldat zu sein?

Der Schauspieler gibt sich furchtlos und testosteronlastig, das ist ja sein Image. Aus dem Off leitet er mit tiefer Erzählerstimme durch die Doku. Emotional wird es aber dann, wenn Baum sich als Interviewer stärker zurücknimmt und den Bundeswehr-Veteranen das Wort überlässt. Einige ehemalige Soldaten erzählen ihm von ihren Ängsten im Einsatz und den bleibenden Traumata, etwa nach ihrer Rückkehr aus Afghanistan. Sie wollten ihrem Land dienen, sagen sie, doch der harte Alltag fernab der Familie sei quälend gewesen.

Mit Beginn des Kriegs in der Ukraine hat sich für die Bundeswehr vieles geändert. Auf der zusammengesparten, nicht sonderlich geschätzten Truppe liegt plötzlich wieder eine Hoffnung auf Sicherheit. Sie wirbt aktiv Rekruten an und bekommt mit dieser Doku auch Aufmerksamkeit zur besten Sendezeit. Ob das langfristig hilft, ihr Image zu verbessern und wirklich Menschen anzulocken, wird sich zeigen. Am Lagerfeuer fragt der Quereinsteiger-Rekrut Baum auch bei den Veteranen nach und bekommt deutliche Antworten: Gesellschaft und Politik müssten mehr tun. Bis heute gebe es zum Beispiel kein Veteranenkonzept, das für die oft traumatisiert aus dem Auslandseinsatz Kommenden eine Rückkehr in den Alltag erleichtere. Sie fordern mehr Anerkennung für ihre Arbeit und eine andere Betrachtung der Bundeswehr in der Gesellschaft.

Was nach dieser Doku hängen bleibt, ist vor allem eines: großer Respekt für jene Menschen, die ihr Leben in den Dienst des großen Ideals von Sicherheit und Frieden stellen. Diesen Respekt äußert auch Henning Baum, durch dessen Augen der Zuschauer besser begreift. Und dann wäre da noch Baums erster Eurofighter-Flug. Denn der endet, anders als der von Tom Cruise, frühzeitig. Mit bleichem Gesicht und einem vollen "Notfallsäckchen".

"Einsatz für Henning Baum - Was es jetzt heißt, Bundeswehrsoldat zu sein", bei RTL+.

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