Süddeutsche Zeitung

Geschäftsmann Chen Guangbiao:Angriff des Philantrophen

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Geschäftsmann und treuer Patriot, Wohltäter und Selbstdarsteller - Chen Guangbiao hat viele Gesichter. An Selbstvertrauen jedenfalls mangelt es dem Chinesen, der mit einer Recyclingfirma reich geworden ist, nicht. Nun will er die "New York Times" übernehmen.

Von Marcel Grzanna

Chen Guangbiao wird stets als Geschäftsmann bezeichnet. Faktisch ist das auch richtig. Als Chef einer Recycling-Firma, die Bauschrott wiederverwertet, hat Chen Milliarden Yuan verdient. Nur wenige Hundert andere Chinesen besitzen ein noch größeres Vermögen. Die Geschäfte laufen also gut. Doch in Wahrheit schlummert in dem 45-Jährigen ein Aktionskünstler, der nebenbei Millionen im Jahr scheffelt, um seine Pläne verwirklichen zu können.

Bei der jüngsten Idee könnte das jedoch sehr schwierig werden. Chen hat angekündigt, er wolle die New York Times übernehmen. Er befinde sich in Gesprächen mit der Besitzerfamilie Sulzberger und hoffe, dass man mit dem richtigen Angebot alles kaufen könne. Chen hat es mit der Enthüllung dieses kühnen Plans wieder einmal geschafft, Schlagzeilen zu produzieren. Es gibt offenbar viele Menschen, die glauben, dass diesem Mann alles zuzutrauen ist.

Seit Jahren begeistert und irritiert der Sohn einer mittellosen Familie aus der Provinz Anhui die chinesische Öffentlichkeit. Er tritt einerseits als großzügiger Philanthrop auf, der 130 Millionen Dollar in den vergangenen Jahren gespendet hat. Andererseits mischt Chen sich in gesellschaftliche Themen ein. Vor einiger Zeit verkaufte er, als Antwort auf die Luftverschmutzung in Chinas Großstädten, frische Luft in Dosen. Ein andermal zerstörte er sein Luxusfahrzeug, um für eine umweltfreundliche Welt ohne Autos zu werben. Rätsel gibt er seinen Landsleuten auf, weil er Bilder von sich veröffentlicht, auf denen er vor einer mannshohen Wand aus vermeintlichen Geldbündeln einher stolziert. Bedürftigen schenkte er in der Vergangenheit Bares unter der Bedingung, sie müssten sich gemeinsam mit ihm in Jubelpose und mit dem Geld in der Hand ablichten lassen.

Bei Chinas Regierung wohl gelitten

Provokant war Chens Forderung, die Ein-Kind-Politik in China solle nur für Eltern mit einem geringen Bildungsstandard gelten. Entsprechend kontrovers urteilen die Chinesen über diesen Wohltäter, der versprochen hat, er werde nach seinem Tod sein gesamtes Vermögen spenden. Manche werfen ihm vor, er tue all dies doch nur, um seine eigenen Geschäftsinteressen zu fördern.

Bei der Regierung ist Chen dagegen wohl gelitten, weil er als treuer Patriot die territorialen Forderungen Chinas im Inselstreit mit Japan unterstützt. Er schenkte 43 Landsleuten ein nagelneues Auto chinesischer Bauart, nachdem ihre japanischen Fahrzeuge von tobenden Chinesen demoliert worden waren. Im vergangenen Jahr schaltete er zudem eine große Anzeige in jener Zeitung, die er nun gern kaufen möchte, um den Amerikanern mitzuteilen, dass die umstrittenen Senkaku-Inseln zu China gehören, nicht zu Japan.

In einem Interview mit der BBC gab Chen einmal zu, er sei aufdringlich und frech. Aber er zweifelt nicht daran, auf dem richtigen Weg zu sein. In einem öffentlichen Brief an die Welt schrieb er, die Gesellschaft brauche Hunderttausende Chen Guangbiaos.

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Quelle:
SZ vom 03.01.2014
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