Süddeutsche Zeitung

Zum Tod von James Michael Tyler:Denkmal Gunther

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Als Kellner in "Friends" war James Michael Tyler unglücklich verliebt in das schönste Mädchen und den Zuschauern damit sehr nah. Nun ist er gestorben.

Von Cornelius Pollmer

Der Schauspieler James Michael Tyler ist im Alter von 59 Jahren an Krebs gestorben, er hinterlässt trauernde Angehörige und Kollegen, er hinterlässt aber auch und für immer ein Denkmal namens Gunther. Schon ein paar nackte Messdaten verraten viel über diese unverzichtbare Figur im Ensemble des globalen Fernsehgroßereignisses "Friends". Der stille Kellner Gunther war in 185 der insgesamt 236 Episoden der amerikanischen Sitcom zu sehen und damit so häufig wie niemand sonst außerhalb des Hauptcasts. Er war dabei von Anfang an und doch dauerte es nicht zufällig bis zu Episode 33, bis er das erste Mal überhaupt wenigstens ein Wort sagen durfte: "Yeah".

Dabei war der gesamte Gunther so ziemlich das Gegenteil von Yeah. Er trug Hemden in sonderbaren Farben, die hinter noch scheußlicheren Krawatten schon wieder verblassten. Das Haar, das seine Halbglatze säumte, war platinblond-unfallfarben. Gunther war ständig im Bild, ständig im Dienst, nur eben nie im Dienst seiner selbst. Das Café "Central Perk", das er am Laufen hielt, gehörte ihm nicht. Ein Privatleben von ihm war nicht bekannt. Ebensowenig ein Nachname. Die Narzissten, die er bediente, ließen ihn kaltblütig immer wieder wissen, was er war, nämlich ein Weirdo, ein Verlierer.

Gunther war der einzige, dessen Sehnsucht sich nicht erfüllte

Die Welt aber ist voller Verlierer und ihnen hat Tyler in der Figur des Gunther ein Denkmal gebaut. Für alle, die den "Friends"-Plot nicht genauer kennen als die Beziehungskisten selbst ihrer besten Freunde: Gunther war unsterblich in Rachel verliebt. Aber Ross war der, der mit Rachel zusammen war. Rachel war die, die ALLE sofort und nicht nur deshalb heiraten wollten, weil sie praktischer Weise gleich zum S01E01-Auftakt der Serie in Brautmoden in die Szenerie stolperte und damit umgehend in puckernde Zuschauerherzen weltweit.

In ständiger Gegenwart seines love interests blieb Gunther der, dessen Sehnsucht sich beispielhaft nicht erfüllte. Als potenziell schwer depressiver Moritatensänger wimmerte er sich vorwiegend übersehen durch die Folgen, und stand zu seiner Liebe für Rachel, wissend, dass sie nie würde erwidert werden. Gunther war Häftling auf Lebenszeit in der "Friends"-Zone - und damit seinem Publikum viel näher als alle im Vergleich doch sehr, sehr glücklichen Titelhelden.

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