Süddeutsche Zeitung

Eurovision Song Contest:Pathosschwestern

Das erst kürzlich gegründete Popduo "Sisters" gewinnt den deutschen Vorentscheid des ESC - das Publikumsinteresse an der Veranstaltung hält sich sehr in Grenzen.

Von Hans Hoff

Es gibt offenbar Wichtigeres als die Antwort auf die Frage, wer im Mai nach Tel Aviv fährt und dort beim Finale des Eurovision Song Contest (ESC) für Deutschland singt. Darauf deuten zumindest die Zuschauerzahlen hin, die "Unser Lied für Israel" am Freitag erreichte. Nur schlappe 2,8 Millionen Menschen verfolgten im Ersten die Übertragung des nationalen ESC-Vorentscheids, während rund 3,8 Millionen sich für die im BR übertragene "Fastnacht in Franken" interessierten und mehr als sechs Millionen beim Krimi im ZDF zuschauten. Jene, die das Erste mieden, erfuhren daher nicht live, dass das kürzlich erst zusammengewürfelte Duo Sisters Erster wurde. Geschafft haben das Carlotta und Laurita mit der Popballade "Sister", die auf die ESC-übliche Dramaturgie setzt. Es gibt viel Nebel, eine drehende Hebebühne und dazu die genreübliche Pathosmischung aus leisen Tönen und bombastischem Auftrumpfen. Dazu stapfen die beiden musikalischen Semiprofis ungelenk umeinander und beschwören auf Englisch den Zusammenhalt der Frauen und dass diese sich doch bitte nicht so oft anzicken mögen. "Ich sehe Flammen in deinen Augen", rufen sie einander zu. Kleiner hat es der Song nicht. Den Rest nuscheln sie mehr oder weniger weg und verlieren sich dabei in eruptionsartigen Ausbrüchen Richtung Diskant. Ob dieser im Labor hergestellte Plusterpop, der streckenweise klingt wie von einer Software entworfen, international eine Chance hat, wird sich am 18. Mai zeigen, wenn sich sehr wahrscheinlich ein paar Menschen mehr für die Trällerparade ESC begeistern lassen als jetzt für den Vorentscheid.

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Quelle:
SZ vom 25.02.2019
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