Süddeutsche Zeitung

Doku über Deniz Yücel:Er will nur seinen Job machen

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Von Christiane Schlötzer

Vergangene Woche wurde der Prozess gegen Deniz Yücel in Istanbul wieder einmal vertagt, in Abwesenheit des Angeklagten. Im Mai soll der deutsch-türkische Journalist vor einem Berliner Gericht aussagen, auf Wunsch der Istanbuler Justiz. Die Sache zieht sich, Ankara dürfte das recht sein. Schließlich markiert die einjährige Haft Yücels bis Mitte Februar 2018 einen Tiefpunkt im selten einfachen deutsch-türkischen Verhältnis. Eine Verurteilung des früheren Korrespondenten der Welt zu einer hohen Haftstrafe würde die Beziehungen erneut belasten. In der aktuellen Wirtschaftskrise wohl ein Risiko zu viel. Aber warum wurde Yücel überhaupt verhaftet, zur "Geisel", wie er selbst sagt?

Die Journalistin und Tagesthemen-Moderatorin Pinar Atalay wollte die "wahre Geschichte" hinter der Yücel-Story finden. Sie traf den Journalisten zum Interview, sprach mit dem damaligen Außenminister Sigmar Gabriel, mit Vertretern des Springer-Verlages und Freunden Yücels, die sich mit einer Solidaritätskampagne für ihn einsetzten. Aber Atalay kann nur Bekanntes nacherzählen: Dass Yücel vom Haftbefehl aus einer Zeitung erfuhr, dass er sich in Istanbul versteckte und im Auto des deutschen Konsuls zur Polizei fuhr. Neu wirkt allenfalls, dass die Welt Yücels erste aus dem Polizeikeller geschmuggelten Aufzeichnungen nicht drucken wollte, aus der begründeten Sorge, er schade sich damit womöglich selbst. Aber Yücel beharrte, drohte damit, die Notizen auf einer türkischen Ausgabe des Kleinen Prinzen einem anderen Medium zu geben. Er wollte, solange er konnte, das Heft des Handelns in der Hand behalten. Auch im Auswärtigen Amt dürften sie deshalb geflucht haben. Ob es einen Weg gegeben hätte, Yücel die Haft zu ersparen, bleibt offen. Gleiches gilt für die Frage nach Gegengeschäften für die Freilassung Yücels.

Atalay will von Yücel wissen, ob er sich selbst in Gefahr begeben habe, mit seiner kritischen Berichterstattung nach dem Putschversuch 2016. Sie insistiert, als wolle sie beweisen, dass er und die Welt bewusst ein Risiko eingingen. Yücel blafft zurück. Warum sie "so vorwurfsvoll" sei? Hier lässt die Doku erahnen, dass Yücel darunter leidet, zum Gegenstand einer Geschichte geworden zu sein, statt einfach seinen Job machen zu können. Zurück nach Istanbul kann er so bald nicht. Dort gibt es am Montag Prozesse gegen drei türkische Journalisten.

Deniz Yücel , Das Erste, 22.45 Uhr.

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SZ vom 15.04.2019
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