Süddeutsche Zeitung

Comedyshows:Die Dickhodigkeit des Chris Tall

Lesezeit: 2 min

Von Hans Hoff

"Er nimmt kein Blatt vor den Mund und spricht die Wahrheiten aus, für die andere sich zu fein sind." Wenn RTL die Chris Tall Show ankündigt, geht das offenbar nicht ohne verbales Geklotze. Dabei handelt es sich doch lediglich um einen randbegabten Comedian, der an diesem Freitag unter seinem Vermarktungsmotto "Darf er das?" eine Art Personalityshow fortführt. Personalityshow bedeutet im RTL-Sinne immer das Gleiche. Ein Mensch kommt auf die Bühne, erzählt ein paar Witzchen, begrüßt Gäste, und dann gibt es noch ein paar lustig bis albern gemeinte Aktionen und Einspieler.

Im Mittelpunkt steht natürlich Chris Tall, der Mann, der aus seiner Pfundigkeit und Sportverweigerung eine Witztugend gemacht hat und mit nach hinten gedrehtem Käppischirm die angeblich ganz fetten Sprüche absondert. Er sagt dann auch mal Penis und nimmt immer wieder mal sein Gewicht auf den Arm. Das sind dann die Uijuijui-Momente, die RTL als Wahrheiten verkauft, für die sich andere angeblich zu fein sind. Es ist die personifizierte Wiederkehr des einfältigen TV-Total-Humors, den der selige Roger Willemsen einst treffend als dickhodig beschrieb.

Immerhin ist dieses Schulhofeckengeplärre inzwischen einigermaßen glattgebügelt. Gravierende Ausrutscher wie jener von 2017, als Chris Tall die Besucher einer Show zur "Chris Tall Nacht" begrüßte, kommen heute nicht mehr vor. Chris Tall ist inzwischen angekommen in seiner Nische als selbstironischer Pausenclown, der die Versorgung ganz kleiner Ansprüche übernimmt.

Parodien auf Florian Silbereisen und Büffetgeschichten auf Malle

Da verwundert es nicht, dass sich auch Amazon seiner Dienste verpflichtet, denn dort startet an diesem Freitag Chris Tall presents..., eine vorerst sechsteilige Show, in der Tall jeweils einem befreundeten Künstler die Bühne bereitet. Man kann sich das wie eine arg abgespeckte Personalityshow vorstellen, von der nur noch der Eingangsmonolog des Einladers übriggeblieben ist. Nach neun bis zehn Minuten übergibt Chris Tall, der vorher mal wieder sein Übergewicht thematisiert hat ("Fuck the Fatty. I don't get Luft.") an den Gast, der dann rund 30 Minuten sein Programm abspulen darf.

In den beiden vorab zu begutachtenden Folgen sind das Thorsten Bär und Osan Yaran, die unter anderem Witze aufwärmen, mit denen sie schon 2018 beim "RTL Comedy Grand Prix" (Bär) oder 2015 bei "Nightwash" (Yaran) nicht sonderlich lustig waren. Es gibt sauschlechte Parodien auf Florian Silbereisen und Udo Lindenberg und abgelutschte Geschichten vom Büffet auf Malle. Natürlich kommen routiniert auch ein paar entlegene Körperzonen zur Sprache, und die Scheinwerfer im Studio tanzen wild durcheinander. Viel Geflacker, wenig Erleuchtung, das passt zum Inhalt.

In Erinnerung bleibt wieder mal nur die Dickhodigkeit, und natürlich ist unter den sechs Gästen der Staffel nicht eine Frau. Es ist die erste non-fiktionale deutsche Eigenproduktion von Amazon Prime Video. Die Frage, ob so etwas irgendwer braucht, hat beim Streamingdienst offenbar niemand gestellt. Wahrscheinlich hatte Chris Tall gerade keine Zeit, die Wahrheit auszusprechen, für die sich andere zu fein sind.

Darf er das? Live! Die Chris Tall Show , 23.05 Uhr RTL, Chris Tall presents... bei Amazon Prime Video

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Quelle:
SZ vom 28.09.2019
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