Süddeutsche Zeitung

US-Studie zu modernen Eltern:Glücklich bis zur Erschöpfung

Lesezeit: 3 min

Deutlich mehr Frauen würden gerne in Vollzeit arbeiten als noch vor ein paar Jahren. Das liegt nicht nur an veränderten Rollenbildern, sondern auch an der wirtschaftlichen Situation, wie eine Studie nun ergab. Und: Egal, wie viel Frauen arbeiten und wie sehr Männer sich um die Kinder kümmern - den Druck, beides unter einen Hut zu bringen, empfinden beide ähnlich.

Von Violetta Simon

Die Zeiten, in denen Frauen in Kittelschürze ihren Männern an der Haustür hinterhergewunken haben, sind zum Glück lange vorbei: Väter beteiligen sich an der Hausarbeit und kümmern sich um die Kinder, Mütter sind mitverantwortlich für das Familieneinkommen. Auch wenn die wenigsten gänzlich die Rolle des anderen übernehmen - nur in 60 Prozent der Haushalte sind beide berufstätig - gleichen sich die Rollen doch immer mehr an.

Doch diese sich verändernden Rollenmuster sind für die Eltern auch belastend: Mehr als die Hälfte der Mütter und Väter fühlt sich von der Herausforderung, Familie und Job unter einen Hut zu bringen, gestresst. Das hat eine aktuelle Studie des Pew Research Centers ergeben. Wie das US-Institut, das auf soziale und demografische Untersuchungen spezialisiert ist, in seinem Bericht darlegt, empfinden es 56 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer als schwierig, berufliche Aufgaben mit Kindererziehung und Haushalt in Einklang zu bringen.

Was Müttern ebenso wie Vätern in ihrem Alltag besonders zu schaffen macht, ist der permanente Zeitdruck - 40 Prozent der Mütter und 34 Prozent der Väter fühlen sich der Studie zufolge permanent gehetzt. Und obwohl Väter heute dreimal so viel und Mütter doppelt so viel Zeit mit ihren Kindern verbringen wie vor 50 Jahren, sind sie extrem verunsichert: Durch die zahlreichen Anforderungen, denen sie gerecht werden müssen, zweifeln Eltern immer öfter, ob sie sich auch genug Zeit für ihre Kinder nehmen. Ein Drittel findet, das sei nicht der Fall. Väter verbringen mit durchschnittlich sieben Stunden pro Woche dabei gerade einmal halb so viel Zeit mit den Kindern wie Mütter mit durchschnittlich 14 Stunden.

Wie viel Zeit Mütter und Väter mit ihren Kindern verbringen, wirkt sich auch darauf aus, wie sie ihre eigene Leistung bei der Erziehung beurteilen: Eltern, die ihrer Ansicht nach genügend Zeit mit ihren Kindern verbringen, bewerten sich selbst in der Regel dreimal so gut wie jene, die glauben, zu wenig Zeit für ihre Kinder zu haben.

Dass sie in Sachen Kindererziehung einen sehr guten Job machen, finden insgesamt 45 Prozent aller Eltern, 24 Prozent sind sogar der Meinung, sie würden diese Aufgabe exzellent erfüllen, ebensoviele halten ihre Leistung immerhin für gut. Dabei liegt der Anteil der Mütter, die sich für das Aufziehen ihrer Kinder mit "exzellent" benoteten, höher als bei den Vätern: 73 Prozent im Vergleich zu 64 Prozent. Interessant dabei ist, dass Mütter, die arbeiten, sich in dieser Hinsicht besser bewerten als Hausfrauen.

Wie bei der hierzulande heftig geführten Debatte um Kitaplätze und Betreuungsgeld gehen auch in den USA die Meinungen darüber auseinander, was das Beste für ein Kind ist. Nur 16 Prozent der Befragten finden, es sei ideal für ein Kind, wenn die Mutter voll arbeite. 42 Prozent sind der Meinung, es sei besser, wenn die Mutter einer Teilzeitbeschäftigung nachgehe - und immerhin ein Drittel hält es für das Beste, wenn Frauen mit kleineren Kindern ganz zu Hause bleiben.

Auch was die Berufstätigkeit betrifft, gibt es offenbar nach wie vor Unterschiede in der Rollenauffassung: Obwohl ebenso viele Väter wie Mütter gerne mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen würden, sind es der Untersuchung zufolge noch immer weitaus häufiger die Väter, die lieber Vollzeit arbeiten. Auch legen sie weitaus mehr Wert auf einen gut bezahlten Job, während die Frauen einem flexiblen Zeitplan den Vorzug geben.

Doch selbst wenn Familienväter im Vergleich zu ihren Frauen nach wie vor mehr Zeit in den Beruf investieren und Mütter mehr Zeit zuhause verbringen: Das Arbeitspensum, so das Ergebnis der Studie, sei auf beiden Seiten gleich. Dabei investierten verheiratete Eltern insgesamt mehr Zeit in Arbeiten - Hausarbeit, Kindererziehung mit eingerechnet - als unverheiratete, haben also weniger Freizeit.

Insgesamt, so schreiben die Autoren in dem Bericht, hätte sich die Einstellung zur Vollzeitbeschäftigung bei den meisten Müttern in den vergangenen Jahrzehnten geändert. Allein zwischen 2007 und 2012 sei die Zahl jener, die gern Vollzeit arbeiten würden, von 20 auf 32 Prozent gestiegen - wobei diese Entwicklung nicht allein einem Sinneswandel zuzuschreiben sei, sondern vor allem den wirtschaftlich schwierigen Zeiten. So würde fast jede zweite Mutter, die nicht genug Geld zum Leben hätte, eine Vollzeitbeschäftigung als ideal bezeichnen - während dies nur für knapp ein Drittel der Mütter zutreffe, die ausreichend versorgt seien. Entsprechend divergieren auch die Werte zwischen verheirateten Müttern - von denen nur jede vierte voll arbeiten würde - und unverheirateten, von denen jede zweite einen Vollzeitjob als Ideal anstrebe.

Überhaupt, so das Ergebnis der Umfrage, seien verheiratete Mütter glücklicher (43 Prozent) als unverheiratete (23 Prozent). Ähnlich gut drauf sind nicht berufstätige Mütter: Während 45 Prozent von ihnen sich als "sehr glücklich" bezeichnen, können das nur 31 Prozent der beschäftigten Mütter von sich behaupten.

So gesehen, müssten verheiratete Hausfrauen die glücklichsten Menschen auf Erden sein. Womit wir wieder am Anfang wären.

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