Süddeutsche Zeitung

Trend zur teuren Hochzeit:Gast sein: unbezahlbar

Lesezeit: 4 min

Junggesellenabschiede in Las Vegas, Amsterdam und London. Hochzeitsfeiern auf Ibiza oder Teneriffa. Eine Heirat muss heutzutage exklusiv, einmalig - und vor allem teuer sein. Aber warum nur? Gedanken eines geschröpften Gastes.

Jürgen Schmieder

Es wäre eine schöne Idee für einen Werbespot einer Kreditkartenfirma: Ein paar Jungs ziehen gemeinsam durch eine hippe europäische Metropole, dazu wird folgende Textzeile eingeblendet: "Eine Flasche Champagner: 200 Euro. Das beste Steak der Stadt: 120 Euro. Ein Private Dance für den Bräutigam: 80 Euro. Junggesellenabschied mit den Freunden: unbezahlbar."

Unbezahlbar könnte dieses Jahr tatsächlich werden, weil 2011 das Jahr zu sein scheint, in dem alle meine Freunde heiraten. Meine Frau und ich sind auf insgesamt fünf Hochzeiten eingeladen, dazu kommen für mich acht Junggesellenabschiede. Das bedeutet nicht nur, dass die Wochenenden zwischen April und August komplett verplant sind: Ersten Schätzungen zufolge werden wir bis zum Ende des Jahres mehr als 4000 Euro ausgegeben haben, nur um an den Feierlichkeiten teilnehmen zu dürfen.

Jeder soll seine Traumhochzeit haben

Um nicht gleich als Romantik-Verweigerer zu gelten: Natürlich soll die Hochzeit der schönste Tag im Leben der Braut, bestenfalls auch im Leben des Bräutigams sein - und Geld sollte dabei eine untergeordnete Rolle spielen. Jeder soll die Hochzeit haben, die er haben möchte und jeder soll dafür ausgeben, was er will. Ich frage mich nur, ob ich ein Monatsgehalt darauf verwenden soll, nur um Gast zu sein?

Gerade bin ich tatsächlich versucht, bei meinem Bankberater anzurufen, ob er Sonderkredite für Menschen bereithält, deren Freunde heiraten. Ich sitze in Madrid, zwei der drei Kreditkartenwerbungs-Vorschläge haben wir bereits hinter uns gebracht, der dritte ist fest eingeplant. Wenn das Wochenende vorbei ist, werde ich mehr als 600 Euro dafür ausgegeben haben.

Ich lasse mir das noch mal auf der Zunge zergehen und spüle es dann mit Steak und Champagner hinunter: 600 Euro für einen Junggesellenabschied, bei dem nicht ich der Junggeselle bin.

Die Orte für die Junggesellenabschiede klingen wie das Viertelfinale der Champions League: Amsterdam, Madrid, Mailand, München, London, Barcelona. So ein Abschied muss heutzutage exklusiv und einmalig sein. Spätestens seit dem Film The Hangover, in dem vier Jungs einen phantastischen Abend in Las Vegas verbringen - sie finden ein Baby und einen Tiger, einer heiratet eine Stripperin, der andere wird von Mike Tyson vermöbelt -, scheint die Regel zu gelten, dass ein Junggesellenabschied vor allem unglaublich sein muss.

Ohne nun Kulturpessimist sein zu wollen: Früher war das anders. Es gibt keine verlässlichen Informationen darüber, wie der Junggesellenabschied entstanden ist - es gibt aber Hinweise, dass der Brauch aus Griechenland stammt und schon einige Jahrhunderte existiert. Vormals war ein Junggesellenabschied aber kein Fest, sondern eine knallharte wirtschaftliche Veranstaltung.

Der Bräutigam ging am Abend vor seiner Hochzeit mit seinem Vater zum Haus seiner künftigen Frau. Dort bekam er von beiden Vätern eine Predigt gehalten, wie er künftig den Hof zu bestellen habe. Danach musste er dem Brautvater seine Eignung für die Ehe beweisen. Als geeignet galt nicht der, der rote Rosen auf seine Frau würde regnen lassen, sondern derjenige, der etwas von Ackerbau und Viehzucht verstand. Weil die Väter oftmals zu lange über die finanziellen Details stritten, übernahm der Trauzeuge die Einweisung des Bräutigams in seine Pflichten - daraus soll der Junggesellenabschied entstanden sein.

"Es wird immer krasser"

Seitdem hat sich viel geändert: Heute stolpern jeden Samstag im Frühling Männer- und Frauengruppen in peinlichen Outfits (meist T-Shirts mit lustigen Sprüchen oder einem Klotz am Bein) durch europäische Hauptstädte und - so der neumodische Brauch - verkaufen Dinge, die noch peinlicher sind als die Klamotten. Mit dem alten Brauch hat das nichts mehr zu tun, der neue Brauch ist aber offensichtlich urkomisch, denn es sind an Samstagen mindestens 100 Männer- und 100 Frauengruppen allein in der Münchner Innenstadt unterwegs.

Dass ich nicht alleine bin mit dem Gedanken, dass da manche Dinge ein klein wenig übertrieben werden, merke ich, als ich einen Tag nach dem Wochenende in Madrid bei einer Redaktionskonferenz das Thema Junggesellenabschied vorstelle. "Es wird immer krasser", ruft eine Kollegin. "Ich war gerade in London, jetzt muss ich nach Kufstein, später noch nach Salzburg. Immer ein ganzes Wochenende!" Ein anderer sagt: "Mit den Abschieden ist es ja nicht getan, auch die Hochzeiten werden immer verrückter. Ich hätte nach Bornholm fahren sollen, das ist eine dänische Insel. Eine Woche lang Hochzeit, das hätte mich ein Vermögen gekostet."

Vier Tage Gast sein: 2000 Euro

In der Tat: Ein befreundetes Paar würde gerne auf Teneriffa heiraten. Dieser Ort sei doch romantisch. Die beiden hatten sich vor sechs Jahren im Single-Urlaub dort kennengelernt. Die Flüge und das Hotel freilich sollen die Gäste selbst bezahlen. So romantisch war es dann auch wieder nicht, dass man den Gästen die Reise spendieren würde. Und, ach ja, es wäre nett, wenn das sogenannte Mahlgeld ein bisschen großzügiger ausfallen könnte, denn schließlich koste die Hochzeit auch unglaublich viel.

Kurzer Blick auf die Homepage eines Reisebüros: Der Vier-Tage-Trip könnte unsere Familie ungefähr 2000 Euro kosten.

Ein anderes Paar vermerkte auf der Einladung freundlich aber doch bestimmt den Dresscode für die Feierlichkeiten. Auch in diesem Fall fällt mir wieder die Kreditkarten-Werbung ein: "Passendes Hemd kaufen: 100 Euro. Smoking leihen: 150 Euro. Hotel in der Nähe der Feier: 100 Euro. Bei der Hochzeit dabei sein: unbezahlbar!"

Es gibt nur zwei Möglichkeiten, mit diesem Trend umzugehen. Entweder man verweigert sich den Feierlichkeiten - oder man gibt einfach auf und macht mit.

Ich habe mich für die zweite Variante entschlossen. Ich hoffe nur, dass die Kreditkartenfirma bald anruft und mir sagt, dass sie meine Idee mit dem Junggesellenspot genial findet. Nur so kann ich mir auch 2012 sechs Freunde leisten, die heiraten wollen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1095580
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.