Süddeutsche Zeitung

Stilkritik: Silvio Berlusconi:Der Altherren-Chauvi

Der joviale Altherren-Chauvi ist selten geworden. Man findet ihn nur noch in Betriebskantinen, Vorstandsetagen, auf Montage - und bei Silvio Berlusconi.

Martin Zips

In einer derart eindeutigen, reinen Form wie bei Silvio Berlusconi findet man den Altherren-Chauvi heute nur noch selten - in Betriebskantinen, Vorstandsetagen und auf Montage.

Heiße Nächte mit Ruby in Arcore? Geht schon deshalb nicht, weil Berlusconis "neue Freundin" dabei gewesen sei. Gekaufte Liebe? "Das würde ich als Herabsetzung meiner Würde empfinden." Im Umkehrschluss heißt das: Ist die Freundin mal nicht dabei und sind einem die Triebe wichtiger, dann kann man es gerne mal niedlich krachen lassen.

Zumindest solange die Staatsanwaltschaft nichts davon erfährt. Da soll sich der Kardinal Bagnasco, Präsident der italienischen Bischofskonferenz, jetzt nur nicht erschüttert zeigen und weihräuchern, dass "auf öffentlichen Posten das Benehmen nicht von der Position zu trennen" sei.

Ein echter Altherren-Chauvi hält es da lieber mit "Ruby Tuesday" von den Rolling Stones: "Catch your dreams before they slip away". Hehe. Slip away. Kapiert? Das ist doppeldeutig. Echter Altherrenwitz.

Und jetzt noch ein bisschen was für den Geist: "Die Nymphen hier, ich will, dass sie mir bleiben", so sprach schon der Faun an einem heißen sizilianischen Nachmittag im Gedicht von Stéphane Mallarmé. Was soll schon gegen ein bisschen Bunga Bunga mit dem Signore Medientycoon einzuwenden sein?

Und wenn Catull schreibt, dass gute Dichter "anzuregen vermögen, was lustvoll ist", dann sollte das heute bitte auch für lebenserfahrene Ministerpräsidenten gelten. Fräuleinchen, Fräuleinchen. Wo ist da das Problem?

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Quelle:
SZ vom 19.01.2011
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