Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Die Altersweisen:Wem hast du etwas beigebracht?

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Wie junge und alte Menschen die Welt sehen und erleben, erzählen sie in dieser Kolumne.

Protokolle von Niko Kappel

Kevin, 18, lebt in Greifswald und engagiert sich gegen den Klimawandel

"Ich habe einen nicht-aktivistischen Freundeskreis. Da bin ich eigentlich der einzige Mensch, der sich politisch engagiert. Deshalb haben mir meine Freunde schon oft gesagt, dass ich spürbar politischen Einfluss auf sie hatte, bezüglich verschiedener linker Ideen wie Antikapitalismus. Das macht mich irgendwie stolz.

Bei meinen Eltern bin ich oft der einzige Anknüpfungspunkt für wirklich progressive Themen Veganismus oder generell Klimaschutz zum Beispiel. Die kennen keine anderen Leute, die so was mit ihnen besprechen. Anfangs waren sie ziemlich stur und brachten mir gegenüber fast nur Unverständnis auf. Mittlerweile können wir auf einer Ebene über diese Dinge sprechen.

Ich freue mich immer, wenn im Gespräch ein politisches Thema auftaucht. Weil ich gerne darüber rede. Aber ich selbst bringe diese Themen eigentlich nie ein, weil ich das Gefühl habe, dass niemand ständig Dinge erklärt kriegen möchte. Außerdem will ich Leuten kein Zeug erzählen, das die eh schon wissen. Insgesamt versuche ich also nicht, aktiv anderen was beizubringen. Niemand mag Oberlehrer. Aber wenn man danach gefragt wird, darf man ja ruhig erzählen, was man weiß, oder?"

Berthold, 86, wohnt in Saarbrücken und engagiert sich im Seniorenkreis

"Ich habe den Zweiten Weltkrieg miterlebt und die Nachkriegszeit. Daraus erwächst für mich die Verantwortung, was genau ich meinen Kindern und Enkeln weitergebe. Es gibt fünf Punkte, die mir wichtig sind. Erstens: Selbständig denken lernen. Zweitens: Die Komplexität der Welt verstehen. Drittens: Zusammen leben lernen. Viertens: Sich auseinandersetzen mit seiner Umgebung. Fünftens: Artikel 1 des Grundgesetzes, die Würde des Menschen ist unantastbar.

Diese fünf Dinge habe ich meinen Kindern und Enkeln beigebracht. Ich habe viel Leben angehäuft. Diese fünf Dinge sind die essenziellsten, die ich lernen durfte. Wir müssen uns eigenständig unsere Meinung bilden. Das geht nur, wenn wir uns alle Meinungen anhören und verstehen, dass die Welt nicht schwarz-weiß ist. Und über alldem gibt es eine Maxime: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dies steht immer über allem, und danach habe ich auch meine Kinder erzogen und die wiederum ihre Kinder."

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