Süddeutsche Zeitung

Liebeskummer:"Ich fühle mich in der Liebe vollkommen gescheitert"

Lesezeit: 2 min

Andreas ist mit einem aidskranken Mann verheiratet. Doch die Liebe zwischen den beiden ist längst vergangen - eine neue Beziehung: schwierig. Die Geschichte eines Dilemmas.

Protokoll: Lars Langenau

Ein vollbesetztes Lokal auf Kuba. Andreas sitzt an einem Tisch und erzählt die Geschichte seines Lebens. Es ist die Geschichte zweier Beziehungen. Eine, an der er noch leidet, und eine, die Vergangenheit ist, die aber noch in ihm lebt und arbeitet. Andreas sucht Abstand, doch auch auf Reisen wirkt er gefangen, fast bewegungslos. Was er erzählt, ist seine Perspektive auf die Ereignisse. Radikal und subjektiv. Als er das Protokoll schließlich selbst liest, ist er erschrocken: "Mein Gott, das ist ja wirklich meine wahre und reale Geschichte. Ich bin mir dessen jetzt nach dem Lesen selbst bewusst."

"Ich bin seit 27 Jahren mit Juan zusammen. Naja, eigentlich waren wir nur sieben Jahre zusammen und sind es heute nicht mehr. Wir haben uns mit 23 Jahren kennengelernt. Ich kam aus dem verschnarchten Bern nach Spanien und alles war neu. Juan war mein blauer Prinz, ein schöner Mann, das absolute Glück. Allerdings war er auch ein Hallodri.

Nach einem halben Jahr haben wir beide einen Aidstest gemacht. Der von Juan war positiv, meiner negativ. Ich wollte das trotzdem mit ihm durchziehen. Eine Trennung kam für mich damals nicht in Frage. Es war ja Liebe, echte Liebe. Und es wurde eine Art Passion mit ihm, im Guten wie im Schlechten. Aber er ist eindeutig eine Schlüsselperson in meinem Leben.

Juan entwickelte Aids als Vollbild. Er bekam alle Krankheiten: Lungenentzündung, Krebs, das volle Programm. Das Schlimmste vom Schlimmsten. Seit zehn Jahren hat er einen künstlichen Darmausgang. Wir haben geheiratet, als er an der Schwelle zum Tod stand. Aber eigentlich war unsere Liebe da schon weg.

Er lebt zwar noch, aber inzwischen ist die Beziehung zwischen Juan und mir nur noch ein Nachklang, der es verhindert, dass ich eine neue dauerhafte Beziehung führen kann. Wir wohnen zusammen in einer 60-Quadratmeter-Wohnung, leben aber getrennt. Er würde es merken, wenn ich einen anderen mit nach Hause bringe, und das will ich ihm nicht antun. Eigentlich müsste ich mich scheiden lassen und ihn dazu bringen, dass er endlich auszieht. Es ist meine Wohnung, aber ich habe Hemmungen, ihn rauszuschmeißen, obwohl ihn seine Schwester aufnehmen würde.

Ich habe in der Zeit mit ihm noch vier bis fünf Beziehungen mit anderen Männern gehabt, aber die waren nie bei uns zu Hause. Die absolute Treue gibt es nicht. Vor einem Jahr habe ich mich in Isa verliebt, es ging nur kurz, doch ich bekomme ihn nicht aus dem Kopf. Ich wache auch noch acht Monate nach dem Ende unserer Beziehung morgens um vier Uhr auf und kann nicht mehr einschlafen, weil ich an ihn denke.

Es ist dann ein Wunsch, ihn zurückhaben zu wollen, und ich beginne, meine eigenen Fehler zu reflektieren. Das kann endlos werden. Es dreht sich dann immer um die gleichen Dinge. Aber es ging einfach nicht. Diese Beziehung hätte mich kaputt gemacht. Das ist vorbei und das Ende tut weh.

Es schmerzt noch immer, aber ich habe in den zwei Monaten unserer Beziehung gemerkt, dass er noch andere sexuelle Kontakte pflegte. Er hat mit mir gespielt. Für ihn ist Sex eine Gymnastikübung. Dass kann es auch für mich mal sein, aber eigentlich kann ich Sex nur genießen, wenn ich eine Beziehung habe. Ich könnte jeden Abend in Erinnerung an ihn einen Orgasmus haben. Die Grundlage unserer Beziehung war sexuell, sehr sexuell. Doch es waren eine Menge Gefühle dabei. Beim schnellen Sex in der Sauna oder im Sexkino hat man das nicht. Dort empfand ich nach jedem Orgasmus Leere, Alleinsein.

Ich fühle mich gerade wie in ein Loch gestoßen. Es ist wohl eine große Midlife-Crisis. Die mich jetzt mit 51 erwischt hat. Ich fühle mich in der Liebe vollkommen gescheitert. Aber ich werde auch diese Sache überleben. Und wer weiß, vielleicht kommt ja noch einmal ein blauer Prinz?"

Andreas K., 51, Barcelona

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