Süddeutsche Zeitung

Ein Anruf bei ...:... Melanie Eschmann, die Kurse zum Kuh-Kuscheln anbietet

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Bei der Bäuerin aus Nordrhein-Westfalen kann man eine Stunde mit einer Kuh verbringen. Das soll eine "zutiefst beruhigende Wirkung" auf Menschen haben.

Interview von Stefan Wagner

Die Bäuerin Melanie Eschmann aus Nümbrecht-Berkenroth (Nordrhein-Westfalen) bietet auf ihrer Homepage interessante Tierkurse an. Zum Beispiel: "Eine Stunde mit Kuh Isabella mal ganz alleine in der Scheune sein. Den Stress hinter sich lassen, die Ruhe von der Kuh übernehmen und Energie tanken."

SZ: Bei Kühen denken viele Menschen zunächst an Milch und Steak. Sie bieten Rinder als Kuscheltiere an. Warum?

Melanie Eschmann: Wir sind ein Nebenerwerbsbauernhof mit zwölf Rindern. Irgendwann haben wir gemerkt, dass Kühe nicht nur Nutztiere sind, sondern wunderbare Wesen, die eine zutiefst beruhigende Wirkung auf Menschen haben. In Deutschland gehören wir zu den ersten Betrieben, die diese Entspannungsmethode anbieten.

Die New York Times nennt das " Cow cuddling", also Kuhkuscheln.

Dass Kuhkuscheln jetzt weltweit bekannt wird, freut mich total. Als wir vor acht Jahren damit anfingen, haben sich viele über unser Relaxen mit Rindern lustig gemacht. Trendsetter sind in diesem Fall aber Bauern in den Niederlanden, die das schon seit Jahrzehnten praktizieren.

Was können wir von Kühen lernen?

Sie sind ein Ozean der Ruhe. Die Tiere scheinen menschliche innere Unruhe und Fragestellungen in sich aufzunehmen und in Gelassenheit und Vertrauen umzuwandeln. Wir erleben fast täglich, wie bei Menschen der Wunsch entsteht, still zu werden und im Kontakt mit den Tieren der eigenen Intuition zu folgen.

Und wie läuft das ab?

Es gibt keine wirklichen Regeln, Gäste sollten sich nur langsam um die Kühe herumbewegen, sonst erschrecken sie. Ansonsten ist alles drin, die Tiere lieben es, gestreichelt zu werden, vor allem an Stellen, an die sie selbst nicht hinkommen, zum Beispiel hinter den Ohren. Manchmal weiß ich nicht, wer das Kuscheln mehr genießt, die Kuh oder der Mensch. Unsere Gäste stehen mit Kühen auf der Weide oder sie legen sich an eine liegende Kuh. Ich mag es besonders, wenn ein Rind daliegt und wiederkäut. Lege ich dann meinen Kopf auf seinen Bauch, höre ich Verdauungsgeräusche. Das ist überraschend entspannend.

Was fasziniert Ihre Gäste daran?

Kühe scheinen zu spüren, was der Mensch braucht. Wir arbeiten oft mit Kindern mit ADHS. Die Ruhe der Kühe überträgt sich auf die Kinder. Das hält länger vor als so manches Medikament. Trauernde werden durch die Interaktion mit der Kuh von ihrem Schmerz abgelenkt. Burn-out-Patienten finden Tiefenentspannung. Ein Mann hat seiner Verlobten beim Kuhkuscheln einen Heiratsantrag gemacht. Der Ring war in einem Säckchen, das an einem Halsband der Kuh hing. Natürlich hat die Frau Ja gesagt. Einmal hatten wir einen schwer behinderten Mann im Rollstuhl. Unser Bulle drückte sanft seine Stirn an die Stirn des Mannes, und so verharrten die beiden viele Minuten lang. Ein magischer Moment.

Ist das nicht gefährlich? Kühe wiegen schließlich bis zu 700 Kilogramm.

Kühe sind sanfte Riesen, sie haben kein Interesse an schnellen Bewegungen oder gar Angriffen auf Menschen. Beim gemeinsamen Kuscheln baut sich auch Vertrauen auf, da gibt es keinen Hass, keine negativen Emotionen. Man sollte jedoch auf seine Füße aufpassen, denn die Kühe schauen da nicht drauf, sondern gehen einfach. Steigt einem eine Kuh auf die Sandale, kann das ganz schön wehtun. Aber das passiert extrem selten. Wichtig ist allerdings, dass Kuschelfans nicht denken, sie könnten auf jeder beliebigen Weide eine Schmuse-Session einlegen. Unsere Tiere sind von klein an daran gewöhnt, Menschen um sich zu haben. Wer sich auf einer fremden Weide einem Kalb nähert, könnte schon mal von einem Bullen angegangen werden, der die Herde schützen will.

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Quelle:
SZ vom 31.07.2019
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