Süddeutsche Zeitung

Ladies & Gentlemen:Kostüm & Kollision

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Fasching, Karneval, Fasnacht - dieses Wochenende ist in manchen Regionen wieder fröhliche Maskenpflicht vorgeschrieben. Aber was zieht man dazu an? Zwei Last-Minute-Vorschläge.

Von Max Scharnigg und Julia Werner

Für sie: Glitzern wie früher

Auf den allerletzten Drücker hier noch der Trend der Session: Jecke Pailletten! Sie decken sich mit einer aktuellen Erhebung des Modebranchenblatts Business of Fashion, nach der die Leute plötzlich gar keine Jogginghosen mehr wollen, sondern nur noch feine Ausgehware: hohe Schuhe, Cocktailkleider, glitzernden Strass. Anders formuliert: Die Laune ist gerade endzeitstimmungseuphorisch. Für die Coffee-Shop-Hipster mit den geschlechtsneutralen Mützen und den minimalistischen Turnschuhen kommt dieser Trendumschwung wohl als Schock. Denn die Aufbrezelei ist doch total altmodisch, genauso altmodisch wie die mondgesichtigen Despotenfiguren, die gerade die Welt tyrannisieren, oder? Jede Zeit bekommt eben den Trend, den sie verdient. Genau deswegen sollte die Frage "Als was gehst du?" in dieser Session ganz klar mit einem ebenso gestrigen Titel beantwortet werden: als freches Früchtchen! Dieses Modell mit dem Namen "Sexy Erdbeere" (gesehen bei deiters.com) wäre eine gute Wahl für die Frau, die sich in den neuen Antibelästigungslooks des Karnevals, also Fetzenclown-Kostüm, Schweinchen-Overall oder Froschfarbe im Gesicht, ihrer Persönlichkeit entraubt fühlt. Im Modell "Sexy Erdbeere" kann ihr das nicht passieren: Die schmierigen Kalauer (Stichwort Pflücken) werden auf sie regnen wie Kamelle, sie wird sich lebendiger fühlen denn je! Stiltechnisch ist das Kostüm natürlich fragwürdig. Aber es geht ja im Karneval nicht ums Gutaussehen, sondern darum, dem Grauen ins Gesicht zu lachen. Gilt diesmal über Aschermittwoch hinaus.

Für ihn: Bier formte diesen Körper

In der Bewertung von Mode dreht sich ja vieles um den Begriff der Angemessenheit und den richtigen Kontext. Wer im Blümchenkleid zur Sadomasoparty kommt, sieht zwar vielleicht gut aus, hat aber trotzdem das Falsche an. Karnevals- und Faschingsveranstaltungen sind in diesem Sine neuralgische Termine. Wer sie zusagt, sollte sich nach den Gepflogenheiten der Szene richten, das ist klar. Sich vor Ort Kostüm und Firlefanz zu verweigern oder mit einem bunten Schal aus der Affäre zu ziehen, ist Quatsch und wird im Rheinland sogar mit Bußgeld oder Backpfeifen belegt. Es gibt aber noch feinere Fragen zu klären, zum Beispiel, was das richtige Maß an Aufwand für eine Kostümierung ist (zu viel wirkt verdächtig) und welchen Effekt man erzielen möchte. Der Trend geht ja schon lange dahin, dass man sich zwar verkleidet, aber trotzdem vor allem gut aussehen möchte. Und sich dafür ein bisschen zu eilig sexistischer oder machomäßiger Effekte bedient, für die man sonst zu aufgeklärt ist. Bei den Frauen sind das alle Varianten von "Sexy"-Kostümen, bei den Männern alles, was Richtung Bodyguard, Militär und Marvel-Held geht. Man nimmt sich dabei nicht selbst auf den Arm, sondern interpretiert den Karneval als offenes Tinder-Treffen, bei dem man vor allem attraktiv sein möchte. Stimmung ist aber nur, wenn es allen egal ist. Deshalb ist dieses Kostüm, diese Bierschürze, sehr gut und für den profanen Straßenkarneval genau richtig - weil sie derart doof und unambitioniert ist, dass man als Betrachter spontan lachen muss. Und darum ging's doch mal, oder?

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