Süddeutsche Zeitung

Fitness in New York:Zahlen, um zu leiden

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Sie tragen kugelsichere Westen und robben durch Tunnel, springen über Wände und lassen sich dabei anschreien - so sieht Fitnesstraining bei Ex-Marines aus.

"81,82, 83, 84 ...", rufen rund 20 Männer und Frauen im Chor. Dazu machen sie Liegestütze in schnellem Rhythmus in einer Turnhalle in New York, angefeuert von einem Trainer im Kampfanzug. Es ist sechs Uhr morgens im Warrior Fitness Boot Camp, einem Fitnessklub nach militärischem Vorbild in Manhattan. Der Klub wirbt mit einem Training "nach den Prinzipien und mit der Härte der US-Marines". Von ehemaligen Soldaten werden die Teilnehmer hier mit soldatischem Drill an ihre körperlichen Grenzen gebracht. Viele schwören auf die Folterfitness.

Nach den Liegestützen stürzt sich die Gruppe in einen gnadenlosen Kampfparcours, in dem die Banker, Rechtsanwälte oder Studenten durch einen Tunnel robben, über Hürden laufen, Wände erklimmen und an Sprossen hangeln müssen. Aus den Lautsprechern dröhnt dazu lauter Rap. Über den schwarzen T-Shirts mit gelb-rotem Logo des Klubs tragen mehrere Teilnehmer fünf Kilogramm schwere kugelsichere Westen als Extraportion Gewicht.

"Los, weiter, auf die Treppe", schreit Alex Fell, ein ehemaliger US-Marine, der das Center im Mai 2008 mit seinem Kollegen Ruben Belliard eröffnet hat. Auf Fells Befehl drängen sich nun alle im Laufschritt auf die enge Treppe des zwölfstöckigen Gebäudes. Manche nehmen noch Hanteln mit, um die Kraftanstrengung zu steigern.

Bei Fell und Belliard trainieren rund 200 Leute, manche bis zu fünf Mal die Woche. Eine Trainingseinheit kostet zwischen 25 und 50 Dollar (17 bis 35 Euro). "Die Banker kommen um 5:30 Uhr", erklärt Ruben Belliard. Der 30-Jährige war für die US-Armee unter anderem im Irak und im Kosovo. Während um 6:30 Uhr die zweite Gruppe beginnt, kommen die Frühturner bereits aus den Umkleidekabinen.

Sara Zervos trägt Pumps mit roten Sohlen und schwindelerregend hohen Absätzen. "In den ersten drei Wochen konnte ich nachts nicht schlafen", sagt die Vermögensverwalterin. "Ich hatte Angst herzukommen und mir war schlecht, danach wurde es besser und jetzt bin ich süchtig nach dem Training, ich komme sogar in den Ferien mit meinen Kindern."

Die 40-Jährige kommt seit 15 Monaten in das Fitnesscenter. Sie lebt im US-Bundesstaat Connecticut und steht dreimal die Woche für ihr Trainingsprogramm um fünf Uhr auf. Um 8:20 Uhr beginnt ihr Zehn-Stunden-Tag im Büro.

"Unser jüngster Kunde ist 19 Jahre alt, unsere älteste ist eine Anwältin mit 62 Jahren", sagt Belliard. "Wir haben drei Kurse morgens zwischen 5:30 Uhr und 8:30 Uhr, einen mittags und drei abends zwischen 17:30 Uhr und 20:30 Uhr." Ex-Soldat Fell betont: "Das Training ist praktisch so hart wie in einem Ausbildungslager der Marines. Die New Yorker kommen hierher, weil es ihnen Energie gibt."

Der Klub zählt so viele Männer wie Frauen zu seinen Kunden. "Ich habe noch kein Gewicht verloren, aber mein Körper hat sich verändert", sagt Zervos. "Und meine Einstellung auch, hier treffe ich positive Leute. Ich bin tagsüber nie mehr müde und trinke keinen Tropfen Kaffee." Vergeblich versuchte sie, auch Kollegen für das Center zu begeistern. "Sie fanden es zu hart."

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sueddeutsche.de/AFP/Paolo Messana/bilu
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