Süddeutsche Zeitung

Familientrio:Was tun, wenn das Kind der Freundin unerzogen ist?

Lesezeit: 2 min

Jana W. aus Emden findet den fünfjährigen Sohn ihrer Freundin so schlecht erzogen, dass sie den Kontakt inzwischen knapp hält. Wie kann sie die Freundschaft retten? Unsere drei Experten geben Antworten.

Eine Freundin hat einen schrecklichen Sohn, er ist fünf. Wenn wir uns zum Ratschen treffen, sprengt er jedes Gespräch. Wenn wir Spazieren gehen, bewirft er uns mit Matsch - und findet das auch noch lustig. Seine Mutter lässt ihm das durchgehen. Mich nervt das so, dass ich den Kontakt inzwischen knapp halte - was ich bedaure. Wie kann ich die Freundschaft retten?

Jana W. aus Emden

Margit Auer:

Wieso hat ihre nette Freundin denn einen schrecklichen Sohn? Das passt doch nicht zusammen! Gehen Sie mit dem Jungen auf den Spielplatz, wo er andere Spielgefährten trifft. Die freuen sich vermutlich über eine Schlammschlacht. Im Café ist ihm langweilig, das ist doch klar. Was soll er machen, während sie sich unterhalten? Das gleiche gilt fürs Spaziergehen. Da müssen Sie schon ein Wettrennen einplanen, damit auch er Spaß an der Sache hat. Allerdings wundert mich, dass Ihre Freundin nicht schon längst selbst auf solche Ideen gekommen ist. Wollte sie Ihnen den Kinderkram nicht zumuten? Haben Sie die falschen Signale gesendet? Dann wäre es an Ihnen, auf den Jungen zuzugehen. Singen Sie gemeinsam den Wickie-Song, erzählen Sie von Ihrem Meerschweinchen, stapeln Sie Steine übereinander oder fahren Sie ihn mit der Schubkarre herum. Wenn er erschöpft vom Herumtoben auf dem Sofa liegt, haben Sie und Ihre Freundin immer noch genügend Zeit zum Plaudern und Kaffeetrinken.

Herbert Renz-Polster:

Gut, dass Sie die letzte Frage in den Vordergrund stellen - und nicht bei dem Vorwurf stehen bleiben ("lässt ihm alles durchgehen"). In Familien und ihren Beziehungen hat alles eine Geschichte, alles seine Gründe, alles seine Abwägungen zwischen Aufwand und Kosten. Dieses Gemisch mag von außen seltsam wirken oder auch unverständlich sein - aber es muss deshalb nicht gleich auf "schlechte Erziehung" hinweisen. Vielleicht fehlt Ihrer Freundin gerade die Kraft? Die Unterstützung? Vielleicht ist Erziehung im Beisein anderer noch einmal eine Kante schwieriger? Da hilft nur: die Geschichte kennen zu lernen und mit Ihrer Freundin offen darüber zu reden. Vielleicht erzählt Ihnen Ihre Freundin, wie es sich anfühlt mit diesem offenbar "schwierigen" Kind zu leben? Vielleicht erzählt sie von ihrem Einsatz für dieses "schwierige" Kind, der Sie vielleicht staunen lässt? Vielleicht erzählt sie Ihnen, dass manche Kinder mit ihren Impulsen schlecht klarkommen und trotzdem tolle Menschen sind? Und wie doll sie als Mutter versucht, ihr Kind so zu begleiten, dass es seinen Weg schafft? Vielleicht ist sie sich sehr wohl im Klaren, dass ihr das nicht so gut gelingt wie sie es sich selber wünscht? Kommt Ihnen bekannt vor? Dann verstehen Sie sicher, dass Ihre Freundin jetzt mehr braucht als Schuldzuweisungen durch Freunde.

Collien Ulmen-Fernandes:

Mein allererster Impuls bei Kindern, die mich mit Matsch bewerfen oder sonst wie distanzlos sind, ist, zurückzuwerfen. Sie könnten ihn einmal komplett mit Matschepampe einseifen. Wenn das nichts hilft, könnten Sie ihre Freundin fragen: Hast du mitbekommen, wie unwohl ich mich fühle, wenn dein Kind diese Grenzen überschreitet? Merkst du, dass es unsere Beziehung belastet? Ich kenne hochintelligente Frauen und Männer, die für ihr Kind nur das Allerbeste wollen, es fördern und hegen und pflegen, aber es nicht schaffen, klare Ansagen zu machen. Die wäre hier wichtig, auch für das Kind. Sie können aber nicht von Ihnen kommen. Alles, was Sie tun können, ist der Versuch, Ihre Freundin zu dieser Ansage zu ermutigen.

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Quelle:
SZ vom 13.06.2020
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