Süddeutsche Zeitung

Kolumne: Vor Gericht:Alles eine Frage des Images

Lesezeit: 2 min

Seit dreieinhalb Jahre verfolgt unsere Kolumnistin den Prozess gegen den früheren Manager von Bushido, Arafat Abou-Chaker. Dabei hat sie erstaunliche Einblicke in das Geschäftsmodell Gangsterrap bekommen.

Von Verena Mayer

Der längste Prozess, den ich beobachte, zieht sich nun schon über dreieinhalb Jahre. Es geht um einen Streit zwischen dem Rapper Bushido und seinem früheren Manager Arafat Abou-Chaker. Der kommt aus einer Familie, in der einige Mitglieder mit organisierter Kriminalität in Verbindung gebracht werden, und soll dementsprechend nicht zimperlich gewesen sein, als Bushido das gemeinsame Geschäftsverhältnis beendete. Dem Musiker zufolge soll Abou-Chaker ihn nicht nur jahrelang gegängelt und ausgenutzt haben, sondern ihn 2018 auch bedroht, körperlich attackiert sowie versucht haben, ihm Millionen abzupressen.

Um herauszufinden, ob das wirklich stimmt, nahm sich das Berliner Landgericht 113 Tage Zeit. Eine der spannendsten Fragen kam im September 2020 auf, als der Musiker im Zeugenstand saß und gegen seinen früheren Geschäftspartner aussagte. Wie wörtlich kann man nehmen, was ein Gangsterrapper sagt, also jemand, zu dessen Beruf es gehört, das Image des gesetzlosen Mackers zu pflegen?

Das war wichtig, weil Bushido im Lauf seines Lebens sehr oft über sein Leben gesprochen hat. Der Vorsitzende Richter hat sich daher in die Autobiografie "Bushido" aus dem Jahr 2008 vertieft und wies den Rapper auf ein Kapitel mit dem Titel "Arafat der Große" hin. Da werde Abou-Chaker "über den grünen Klee gelobt". Wie das mit seinen Aussagen vor Gericht zusammenpasse? Bushido sagte, es sei um das "Gangsterrap-Klischee" gegangen. Dass man einen starken Mann hinter sich habe, einen "Rücken". "Da ist viel Pathos dabei."

Auch die Verteidiger haben sich eingelesen. Ende der Neunzigerjahre verpasste Bushido auf der Straße einem Mann, der mit seiner Ex-Freundin zusammen war, eine Ohrfeige. Frage eines Verteidigers also: "Neigen Sie zur Gewalt?" Der Musiker verneinte. Er habe in seiner Autobiografie lediglich "eine Wunschvorstellung" verarbeitet. Auch in seinen Interviews würde er den "Eindruck einer Kunstfigur" wiedergeben, das sei manchmal über- oder untertrieben, es gebe Wahres und Falsches, "das ist ein Produkt, das verkauft werden sollte".

Ob das, was er geschrieben und gesagt habe, also eine Art Wirklichkeitskonstruktion sei, wollte ein Verteidiger wissen. Und was man überhaupt noch glauben könne? Der Musiker erwiderte, man könne Person und Image bei einem Rapper tatsächlich nicht "chirurgisch trennen". Aber nun, vor Gericht, stehe er ja unter Wahrheitspflicht und erzähle die Dinge daher genau so, wie er sie erlebt habe. Er sei "der Letzte hier im Saal, der sagen kann, er habe sich immer ans Gesetz gehalten", sagte der Rapper. Aber er habe sich geändert, "ich halte mich an die Regeln und dazu stehe ich".

Auch das muss also die Justiz herausfinden: Ob man einen Künstler von seinem Werk trennen kann und wenn ja, wo diese Trennlinie verläuft. Am Montag soll das Urteil gesprochen werden.

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