Süddeutsche Zeitung

Installation mit der Asche von Toten:"Pietätlos und geschichtsvergessen"

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Jüdische Organisationen kritisieren die Kunstaktion "Suchet nach uns!" des Zentrums für Politische Schönheit harsch. Der Grünen-Politiker Volker Beck erstattet Anzeige. Und das ZPS? Legt nach.

Die Aktion "Suchet nach uns!" des Zentrums für Politische Schönheit (ZPS), die am Montag in der Nähe von Bundestag und Kanzleramt eine temporäre Gedenkstätte für NS-Opfer errichtet hatte, stößt auf heftige Kritik. Das Mahnmal enthält eine "Gedenksäule", die Asche von Holocaust-Opfern enthalten soll. Die Gruppe um Philipp Ruch will damit vor einer Zusammenarbeit der Union mit der AfD warnen.

Die Bundesregierung achte die Kunstfreiheit, sagte eine Regierungssprecherin am Dienstag in Berlin. Sollte es sich aber bewahrheiten, dass sich in der am Reichstagsgebäude aufgestellten Gedenksäule Asche von Holocaust-Opfern aus Auschwitz befinde, wäre das "pietätlos und geschichtsvergessen". Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland äußerte sich kritisch. Die Aktion sei aus jüdischer Sicht problematisch, weil sie gegen das jüdische Religionsgesetz der Totenruhe verstoße. Auch andere jüdische Organisationen lehnten die Aktion ab.

Grünen-Politiker Volker Beck erstattete nach eigenen Angaben Strafanzeige beim Staatsschutz wegen Störung der Totenruhe. "Falls es sich tatsächlich um die Asche von in der Shoah Ermordeten handeln sollten, wäre dies eine strafbare Verletzung der Totenruhe", schrieb er bei Twitter. "Es könnte freilich auch Fake & Teil der Kunstaktion sein."

Auf ihrer Homepage erklärte das ZPS am Dienstag, dass keine Asche direkt aus Auschwitz in der Gedenksäule sei, Asche von Menschen aber durchaus: "Wir haben Tausende historischer Quellen ausgewertet und die Spuren verfolgt. Die Asche der Ermordeten wurde in Dämmen verbaut, auf Feldern verscharrt und in Flüsse gekippt. In der Widerstandssäule steckt ein konservierter Bohrkern aus einer metertiefen Aschenschicht."

Inzwischen verkündete das ZPS bereits die nächste Aktion: Man habe die Grabplatte des früheren Reichskanzlers Franz von Papen aus dem saarländischen Wallerfangen entfernt. "Franz von Papen ist auf dem Weg nach Berlin, um die historische Schuld des deutschen Konservatismus aufzuarbeiten", teilten die Aktivisten am Dienstag auf Facebook und Twitter mit. Das saarländische Landespolizeipräsidium bestätigte dem Evangelischen Pressedienst, dass die Platte nicht mehr da ist. Ob sie entwendet worden sei, versuche die Polizei zurzeit zu ermitteln, erklärte ein Sprecher.

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SZ vom 04.12.2019
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