Süddeutsche Zeitung

Vorschlag-Hammer:Über Dummheit und Spaß an der Freud'

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Da meint einer doch glatt, anmahnen zu müssen, Gretas Segeltrip über den Atlantik zurück nach Europa sei deshalb nicht klimaneutral, weil ja an Bord des Katamarans ein dieselbetriebener Generator für Strom sorge. Wie bescheuert

Kolumne von Karl Forster

Eigentlich wollte ich kurz zusammenfassen, was an diesem Samstag kulturell so alles geboten ist, mit einem kleinen Hintergedanken. Ich hätte also zum Beispiel auf Emil Bulls verwiesen, diese feinsinnigen Münchner Hartmetaller, die dann im Backstage zugange sein werden. Oder auf Emilie Zoé, jene geheimnisvolle Songwriterin aus Lausanne mit den großen Augen und einer Stimme, die mehr flüstert als singt und so einen faszinierenden Sog entwickelt. Sie lädt ins Heppel & Ettlich. Auch Bernd Begemann hätte da Erwähnung gefunden, und ich hätte hier eine Erklärung versucht, warum aus Hamburg immer wieder gute, neue Musik kommt.

Doch dann kam etwas dazwischen, was mich so maßlos aufregt, dass ich nicht an mich halten kann. Das hat zum einen mit Greta Thunberg zu tun. Und zum anderen damit, dass ich meine Freizeit ein Leben lang größtenteils auf Segelschiffen zugebracht habe. Deshalb verfolgte ich die Überfahrt der jungen Schwedin von der US-Ostküste nach Portugal im Netz nicht nur auf der Seekarte, sondern auch die Berichterstattung über das nasskalte Abenteuer der Klimaaktivistin. Da meint einer dann, anmahnen zu müssen, Gretas Segeltrip über den Atlantik zurück nach Europa sei deshalb nicht klimaneutral, weil ja an Bord des Katamarans La Vagabonde ein dieselbetriebener Generator für Strom sorge. Wie bescheuert (es fielen mir noch weit kräftigere Ausdrücke ein) muss man sein, eine überlebensnotwendige Stromerzeugungsmaschine ins Feld zu führen, um diese Mission zu desavouieren!

So, jetzt geht es mir besser. Und der von dämlichen Ignoranten angemahnte Stromverbrauch bringt mich auf ein Ereignis, das mich insofern betrifft, als ich an diesem Samstag mit meinen Keyboards ebenfalls zusätzlich Strom werde verbrauchen müssen - im Sinne einer guten Tat. Denn da gastiert Deadline, die Redaktionsband der Süddeutschen Zeitung, wieder beim Tollwood-Winterfestival. Im Weltsalon wird aufgespielt und dabei mit den Amps viel Energie verbraucht, denn es wird laut werden. Zwei Argumente seien deswegen eventuellen Kritikern schon mal entgegengehalten: Zum einen gibt es auf Tollwood den Grünen Strom der Stadtwerke München; zum anderen versuchen wir mit unserer Musik dem Publikum Geld aus der Tasche zu locken zu Gunsten des Adventskalenders, jener Aktion der Süddeutschen Zeitung, mit der seit Jahrzehnten Arme und Bedürftige unterstützt werden.

Aber natürlich spielen wir nicht nur, weil wir gute Menschen sind. Wir werden - garantiert! - viel Spaß dabei haben.

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Quelle:
SZ vom 06.12.2019
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