Süddeutsche Zeitung

Trump Town (IX):Trump kurbelt das Trinken an

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Es wird oft gesagt, dass man in Amerika nach der Wahl ein bisschen zu schnell zum Alltag übergegangen sei. Das ist ungerecht: Trump beherrscht selbst das Essen und Trinken.

Kolumne von Peter Richter, New York

Danke der Nachfrage, das Essen war gut, und zu trinken gab es auch nicht zu wenig. Der eigentliche Sinn von Thanksgiving ist ja, dass man tags drauf betäubt und rund durch den Shopping-Wahnsinn rollen kann, den sie hier Black Friday nennen. An der Tafel saßen Amerikaner, Deutsche, Israelis, und beredet wurde das Naheliegende: wer welches Stück Fleisch kriegt und ob Trump als Präsident des Amtes enthoben werden wird.

Es ging natürlich um nicht weniger als um die Zukunft der Kinder, gleichzeitig war darauf zu achten, dass diese Kinder zunächst einmal diesen Nachmittag unverletzt überleben. Daher ist so eine Debatte immer etwas sprunghaft. Zum Thema Impeachment, Amtsenthebung, des künftigen Präsidenten: Es herrschte Einigkeit, dass. Die Frage war, wann.

Einer der Amerikaner, Jurist, gab zu bedenken, dass so ein Prozess sehr lange dauern würde, also zumindest deutlich länger, als wenn Donald Trump in "The Apprentice" zu jemandem sagt, er sei "fired", und dann ist derjenige, wie durch eine Falltür, weg. Jemand stellte die Frage, ob das überhaupt so wünschenswert wäre, weil ja dann der künftige Vizepräsident Mike Pence nachrücken würde. Keine Einigkeit herrschte darüber, ob Mike Pence nun aussieht wie Leslie Nielsen in "Die nackte Kanone".

Es wird oft gesagt, dass man in Amerika ein bisschen zügig von Trump zum Alltag übergegangen wäre. Das ist ungerecht. Sollen die Leute aufhören zu essen und zu trinken? Es ist eher so, dass das Thema Donald Trump nun auch vollständig ins Essen und Trinken übergegangen ist.

Ausgerechnet der erklärte Abstinenzler Trump kurbelt das Trinken an

Das Nächste, wozu übergegangen wurde, war dann der Whiskey, proudly made in Tennessee und Kentucky, wo auf den Firmenparkplätzen der Brennereien die Pick-up-Trucks mit den Südstaaten-Flaggen parken, der Korrespondent hat es selbst gesehen. Einer, der in der Spirituosenbranche tätig ist, erzählte, dass tatsächlich seit der Präsidentschaftswahl der Absatz in Amerika sprunghaft gestiegen sei, vor allem an den Küsten, also bei den Verzweifelten aus dem Clinton-Lager. Schönes Paradox, sagte er, dass ausgerechnet ein erklärter Abstinenzler wie Trump dermaßen das Trinken ankurbele.

Das war aber natürlich nichts gegen das politische Paradox, von dem Gäste aus Berlin zu berichten wussten, wo so viele Leute rechts gewählt hätten, dass sie jetzt gewissermaßen zur Strafe superlinks bekommen haben, Rot-Rot-Grün. Die Berliner erzählten dann Gruselgeschichten, die wenig Lust machten, je wieder in diese Stadt zu fahren. Unter den Linden werde zur Fußgängerzone, eine Shopping Mall, nur halt ohne Geschäfte, und im Rest der Innenstadt sollen in ein paar Jahren nur noch Elektrowägelchen rumfahren wie auf den Golfplätzen von Donald Trump. Sie bekamen vorsichtshalber keinen Bourbon nachgeschenkt.

Aber damit war das Gespräch bei den Sonderbarkeiten einer Mehrparteien-Demokratie. Die gäbe es in Amerika auch, beharrte einer der Amerikaner. Aber ja doch, erklärte er, hartnäckig sein Glas hinhaltend, er zum Beispiel habe seine Stimme an die hiesigen Grünen verschwendet, deren Präsidentschaftskandidatin heiße Jill Stein. Sollte die Fifth Avenue auch irgendwann zur Fußgängerzone werden, wäre er mit schuld daran.

Man konnte sich dann aber nicht länger bei Frau Stein aufhalten, wichtiger erschien die Frage, ob Hillary Clinton die Auszählung in Wisconsin anfechten würde, nachdem wohl Hinweise darauf aufgetaucht waren, dass die Wahlmaschinen dort manipuliert worden sein könnten. Es konnte sich keiner vorstellen, dass sie noch die Energie dazu hatte. Vielleicht hatte aber zu diesem Zeitpunkt auch einfach keiner mehr die Energie, sich das vorstellen.

Am nächsten Tag stand dann in der Zeitung, dass jemand das Wahlergebnis in Wisconsin offiziell nachzählen lassen will, und zwar eine gewisse Jill Stein.

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Quelle:
SZ vom 28.11.2016
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