Süddeutsche Zeitung

Theater:Nie ohne Handy

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In Potsdam stehen Flüchtlinge auf der Bühne, aber es geht in Maxi Obexers Stück nicht um Flucht. Sondern darum, wie man es schafft, den Kontakt in die Heimat nicht zu verlieren.

Von Mounia Meiborg

Wenn sich am Schluss der Saal zu Standing Ovations erhebt, kann man sich fragen, wem da so frenetisch applaudiert wird. Den Schauspielern? Oder den Migranten und Geflüchteten für ihre Lebensgeschichten? Es ist eine Frage, die sich immer stellt, wenn "Betroffene" auf der Bühne stehen. Und die sich an diesem Abend in Potsdam nicht so leicht beantworten lässt.

Das Stück "Gehen und Bleiben", von Maxi Obexer für das Hans-Otto-Theater geschrieben, beruht zwar auf den Erfahrungen der Darsteller. Die Geschichten sind aber verfremdet; manche Rolle wird in der Inszenierung von Clemens Bechtel vertauscht. Die Darsteller aus Syrien, Israel, Iran, Frankreich, Mazedonien und Russland sind irgendwas zwischen Laien und Profis: Viele standen schon auf einer Bühne. Doch die wenigsten haben eine Schauspielausbildung.

Um dramatische Fluchtgeschichten geht es nicht. Sondern um die interessante Frage, wie man in der neuen Heimat Kontakt zur alten hält. Das ist der Bogen, der die Szenencollage über die unterschiedlichen Herkunftsländer und Migrationsmotive hinweg zusammenhält.

Handys sind das wichtigste Requisit; es wird telefoniert, geskypt und gechattet. Ein Syrer, nach Potsdam gekommen, weiß nicht, was er mit seiner Frau in Damaskus reden soll - jedes Thema macht ihn traurig. Ein Mazedonier, der seit 20 Jahren in Deutschland lebt, erklärt der Mutter, dass er nicht mehr zurückkehrt. Ein syrisches Paar, das sich in Deutschland kennengelernt hat, streitet darüber, ob es Kriegsnachrichten verfolgen soll oder nicht.

Die dramatischen Szenen gelingen nicht immer; auch deshalb, weil die Darsteller meist Deutsch sprechen, ihr Sprachniveau aber nicht immer zu Obexers Text passt. Maxi Obexer, die oft dezidiert politische Stücke schreibt, hält sich hier mit Botschaften angenehm zurück. Sie erzählt leicht und ironisch von dem seltsamen Ding, das wir Heimat nennen.

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Quelle:
SZ vom 24.03.2017
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