Süddeutsche Zeitung

Theater:Abgehoben im Riesenrad

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Das Leben als Rummelplatz: Katrin Plötner inszeniert am Theater Regensburg Franz Molnárs "Liliom"

Von Egbert Tholl

Die Regisseurin Katrin Plötner ist offenbar ein ganz und gar unsentimentaler Mensch. Am Theater Regensburg hat sie Franz Molnárs Vorstadtlegende "Liliom" inszeniert. Das ist erstaunlich, da in dem mehr als 100 Jahre alten Text viel Sentimentalität haust, im trotz aller Härte wehen Reden der Figuren und vor allem im Ende, wenn der Liliom, nachdem er sich nach einem vermasselten Raubüberfall selbst getötet hat, nach 16 Jahren Fegefeuer für einen Tag auf die Erde zurückkehrt und abermals Murks macht. Noch bevor der Eiserne Vorhang hochgeht, treibt Plötner dem Stück jede Rührseligkeit aus: Man hört als Prolog aus dem Off einen Text von Leslie Morgan Steiner über Gewalt und Mord in deutschen Paarbeziehungen, hart, klar, leise wummert bald Musik, die sich zum aufgekratzten Auto-Scooter-Bumms steigert, sobald die Bühne offen ist. Animierte Mädels kreischen, und auf der Bühne steht eine fabelhafte Konstruktion von Daniel Wollenzin, ein halbes Riesenrad und ein wuchtiges Portal; beides wird knirschend und ächzend immer in Bewegung sein, ein Mechanismus, durch den das Leben huscht. Die Welt ist ein Rummelplatz, und wenn sie es nicht ist, fährt auf der Vorderbühne ein Sofa hoch.

In dieser Welt haut jeder jeder Frau schnell mal eine in die Goschen, warum, das weiß man nicht. Ist halt so. Plötner lässt ihre lustig ausstaffierten Akteure die Figuren vorführen; die verlieren dadurch die Bodenhaftung, wirken nicht sinnlich aufregend, generieren aber auch keine konsequente, eigene Form. In diesem kaum anrührenden Schwebezustand gelingen ihr immer wieder ganz tolle Momente. Stefan Schießleder, der einen der Polizisten spielt, hat so einen Moment, wenn er im Fotostudio von Frau Hollunder (bei Molnár ist die noch ein Herr) fasziniert die Erotik seiner roten Socke erkundet. Oder der Wolf (Arne Gottschling) und die Marie (Andine Pfrepper), die finden auch einmal zu einem abgedrehten Pas de deux zusammen, Marina M. Blanke ist sowohl eine Pierrot-artige Richterin im Jenseits wie gleich darauf Julies Tochter voll zartem Glanz.

Es passt also schon einiges, und auch Philipp Quest spielt den Liliom durchaus mit der notwendigen Verzweiflung; der will ein anderer sein, kann aber nur so. Seine Julie, Verena Maria Bauer, indes benimmt sich neben ihm wie eine Fremde, ist kein Hascherl, sticht ihn, nachdem er sich bereits das Messer hineingerammt hat, final ab. Auch ein Ausweg aus der häuslichen Gewalt, von Plötner erzählt mit seltsam ungerührtem Konstatieren.

Liliom, nä. Aufführung am Fr., 25. Mai, 19.30 Uhr, Theater am Bismarckplatz, Regensburg

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Quelle:
SZ vom 23.05.2018
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